Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
überläßt, die einen zwar umbringen wird, aber bis dahin das Leben um einen seltsam aufregend-beruhigenden Stoff bereichert. Nach fünfzig ist das eine ernsthafte Frage. Ich habe geantwortet, mit Herzkrämpfen, und mit dem Entschluß, so weiterzumachen, bis zum Tod. Ich gebe dieses bittere Gift nicht aus der Hand, denn es lohnt sich nicht. Du sagst, es sei nicht so schwer, aufzuhören … Natürlich nicht. Ich habe auch schon aufgehört, mehr als einmal, als es sich noch lohnte. Bloß verging da mein ganzer Tag damit, daß ich nicht rauchte. Dem muß man auch einmal ins Auge blicken. Sich damit abfinden, daß man etwas nicht erträgt, daß man Suchtmittel braucht, daß man dafür zahlen muß. Dann wird alles leichter. Darauf heißt es zwar: »Du bist auch kein Held«, aber ich antworte: »Schön, dann bin ich eben kein Held, aber ich bin auch nicht feig, denn ich habe Mut zu meinen Leidenschaften.«
Meine ich.
Du siehst mich skeptisch an. Ich sehe schon, jetzt willst du fragen, ob ich zu allen meinen Leidenschaften, in jeder Hinsicht, Mut gehabt habe. Zum Beispiel Mut zu Judit Áldozó? … Jawohl, mein Lieber. Ich habe es bewiesen. Habe eingezahlt, wie man hier auf dem Boulevard sagt. Habe die Ruhe meines Lebens draufgezahlt, und auch die Ruhe eines anderen Menschen. Mehr kann man wohl nicht tun. Jetzt willst du fragen, ob es sich gelohnt habe … Rhetorische Frage. Die großen Unternehmen des Lebens lassen sich nicht mit Buchhalterweisheit beurteilen. Es geht nicht darum, ob sich etwas gelohnt oder nicht gelohnt hat, sondern darum, daß man etwas tun muß, weil es das Schicksal oder die Umstände oder das Temperament oder die Funktion der Drüsen so befehlen … Wahrscheinlich spielt das alles ineinander … und daß man dann nicht feig ist, sondern es tut. Nur das zählt. Der Rest ist Theorie.
Also gut, ich habe es getan.
Ich will dir erzählen, wie es war, als Judit Áldozó eines Nachmittags bei uns eintraf, in der prachtvollen dunklen Wohnung. Sie kam mit einem Bündel in der Hand, wie das arme Mädchen aus dem Märchen. Die Märchen sind meistens ziemlich genau. Ich kam vom Tennis, blieb im Entree stehen, warf den Schläger auf einen Stuhl, stand erhitzt dort und wollte gerade den weißen Pullover ausziehen. In dem Augenblick wurde ich gewahr, daß im Halbdunkel eine fremde Frau vor der gotischen Truhe stand. Ich fragte sie, was sie wünsche.
Aber sie antwortete nicht. Offensichtlich war sie verlegen. Ich dachte, es sei wegen der neuen Situation, sah ihre Befangenheit einfach als die Verlegenheit eines Dienstboten an. Später habe ich erfahren, daß nicht der Prunk unserer Wohnung, auch nicht das Eintreffen des jungen Herrn sie aus dem Gleis geworfen hatte, sondern etwas anderes. Die Begegnung. Die Tatsache, daß sie mir begegnet war, und auch das, daß ich sie angeschaut hatte und etwas geschehen war. Natürlich wußte auch ich in dem Augenblick, daß etwas geschehen war, wußte es aber nicht ganz von innen her. Die Frauen, die instinktbegabten, starken Frauen, so wie sie eine war, wissen, was wichtig und entscheidend ist, genauer als wir Männer, die wir immer bereit sind, wichtige Begegnungen mißzuverstehen, sie uns anders zu erklären. Diese Frau wußte gleich, daß sie mir begegnet war, dem Menschen, der in ihrem Leben eine wesentliche Rolle spielen würde. Ich wußte es auch, machte mir aber etwas vor.
Und da sie meine Frage nicht beantwortet hatte, schwieg auch ich, ein bißchen überheblich und verstimmt. Wir standen uns eine Weile stumm gegenüber und sahen einander an.
So aufmerksam, wie man nur selten ein Phänomen anstarrt. Und es war keinesfalls das neue Dienstmädchen, das ich in jenen Augenblicken anstarrte. Sondern die Frau, die irgendwie, aus unverständlichen Gründen, unter unmöglichen Umständen für mein Leben sehr wichtig sein würde. Ob man so etwas weiß? … Ja, sicher. Nicht mit dem Verstand, sondern mit seinem ganzen Schicksal. Und unterdessen denkt man zerstreut auch an anderes. Stell dir mal vor, was das für eine unwahrscheinliche Situation war. Stell dir vor, in dem Augenblick tritt jemand zu mir und sagt, das sei die Frau, die ich eines Tages heiraten müsse; vorher würden aber viele andere Dinge geschehen, vorher müsse ich eine andere Frau heiraten, die von mir sogar ein Kind bekommt, und die Frau, die da vor mir im dämmerigen Entree steht, würde auf lange Zeit ins Ausland verreisen, und dann würde sie zurückkommen, und ich würde mich von meiner Frau scheiden
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