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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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sie und stellte die Feuerböcke aus Messing richtig hin und half ihr beim Feuerschüren. Und unterdessen redete ich.
    Was ich ihr gesagt habe? … Warte, ich will mir noch eine anzünden. Spielt ja keine Rolle. In einem solchen Moment zähle ich die Zigaretten nicht mehr. Überhaupt spielt vieles keine Rolle.
    Doch damals hatte ich das Gefühl, es sei alles sehr wichtig, was ich sagte und was dann geschehen würde. Ich hatte keine Zeit, ihr den Hof zu machen und zu scharwenzeln. Das war auch nicht nötig. Ich sagte, ich wolle mit ihr leben, und sie war davon nicht überrascht. Sie hörte ruhig zu, blickte aufs Feuer, blickte mir dann in die Augen, ernst und gar nicht erstaunt. Jetzt nachträglich habe ich das Gefühl, daß sie mich in dem Augenblick prüfend ansah, daß sie gleichsam meine Kräfte abzuschätzen versuchte, so wie das Bauernmädchen den Burschen ansieht, der vor ihr großtut und behauptet, er könne so und so schwere Gewichte heben, einen Sack Weizen oder so ähnlich. Auch sie prüfte mich mit dem Blick, aber es ging nicht um meine Muskelkraft, sondern um meine Seele. Wie gesagt, jetzt habe ich das Gefühl, als hätte sie mich ein bißchen spöttisch einer Prüfung unterzogen, mit einem gelinden Spott. Als ob sie hätte sagen wollen: »So stark bist du nicht. Es braucht viel Kraft, mein Freund, um mit mir zu leben. Du wirst dir das Kreuz brechen.« Das sagte ihr Blick. Ich fühlte das und redete noch eindringlicher. Ich sagte, alles würde sehr schwer sein, denn die Situation sei unmöglich, mein Vater würde niemals seine Einwilligung zur Heirat geben, und wahrscheinlich würden noch ganz andere Schwierigkeiten entstehen. Zum Beispiel, sagte ich, sei es auch möglich, daß mir eine solche Ehe vor der Welt und vor der Familie peinlich wäre, und es sei nicht wahr, daß man die Welt, in der man lebt und von der man einiges bekommen hat, ganz verleugnen könne. Und es sei anzunehmen, daß diese Befangenheit, dieses schlechte Grundgefühl früher oder später unsere Beziehung verderben würde. Ich hätte solches schon gesehen, hätte in meiner Gesellschaftsschicht Leute gekannt, die sich weit unter ihrer Stellung verheiratet hatten, und alle diese Beziehungen seien gescheitert.
    Solchen Blödsinn redete ich. Selbstverständlich meinte ich das alles ernst, ich sprach nicht aus Feigheit so, ich suchte nicht nach Ausflüchten. Und sie verstand, daß ich ehrlich redete, sie blickte mich ernsthaft an und nickte, weil auch sie so dachte. Fast spornte sie mich an, noch weitere Argumente zu finden, die sogleich und von vornherein bewiesen hätten, was für eine unmögliche Idee das Ganze war: Ich sollte mit weiteren schlagenden Beispielen den Wahnwitz der Angelegenheit beweisen. Und tatsächlich suchte ich nach solchen Argumenten. Sie selbst sagte nichts, kein einziges Wort, genauer, sie sagte erst am Ende etwas, und das ganz kurz. Sie ließ mich reden. Ich weiß selbst nicht, wie, aber ich redete anderthalb Stunden lang, dort vor dem Kamin, und sie blieb die ganze Zeit auf den Knien, während ich neben ihr saß, im niedrigen englischen Ledersessel, und ins Feuer blickte und redete, und es kam niemand ins Zimmer, niemand störte uns. Es gibt im Leben eine unsichtbare Regie: Wenn eine Situation eintritt, in der Menschen etwas erledigen, zu Ende bringen müssen, dann machen auch die Umstände mit, ja, der Ort und die Gegenstände und die Menschen ringsum werden zu unbewußten Komplizen. Niemand störte uns. Es war schon Abend, mein Vater war nach Hause gekommen, Judit wurde bestimmt schon in der Anrichte vermißt, wo Geschirr und Besteck für das Abendessen vorbereitet wurden, und im Haus hatten sich alle schon für den Abend umgezogen, aber uns störte niemand. Später habe ich verstanden, daß so etwas gar nicht so verwunderlich ist. Das Leben inszeniert die Situationen vollkommen, wenn es etwas schaffen will.
    Ich selbst hatte in jenen anderthalb Stunden das Gefühl, zum erstenmal mit jemandem zu sprechen, zum erstenmal in meinem Leben. Ich wolle mit ihr leben. Ich könne sie nicht heiraten, aber genau wisse ich das selbst auch nicht, sagte ich. Auf jeden Fall müßten wir zusammenleben. Ich fragte sie, ob sie sich an unser erstes Treffen erinnerte, als sie in unser Haus gekommen war. Sie sagte nichts, nickte aber zustimmend. Sie war sehr schön dort, in dem halbdunklen Zimmer, so wie sie vor dem Feuer kniete im rötlichen, herbstlaubfarbenen Licht, mit ihrem glänzenden Haar und dem schönen, etwas seitwärts

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