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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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und sicher ist auch, daß ich mich ein bißchen verachtete und für die Situation und die Gefühle auslachte, die ich mir da suggerieren ließ. Ich wußte damals noch vieles nicht, zum Beispiel auch das nicht, daß eine Situation nie lächerlich ist, wenn Menschen ihrer körperlichen und seelischen Bestimmung gehorchen.
    Und dann sprach ich das Mädchen an. Ich weiß nicht mehr, was ich sagte. Aber die Situation sehe ich ganz deutlich, als sei sie auf Schmalfilm aufgenommen, sehe sie wie die familiären Filmszenen, die zartfühlende Wesen von der Hochzeitsreise oder von den ersten Schritten des Kleinen anfertigen. Judit erhob sich langsam, zog aus der Tasche ihres Rocks das Taschentuch hervor und wischte sich die von der Asche und vom Holz schmutzigen Hände ab. Diese Szene sehe ich deutlich. Und dann begannen wir zu reden, rasch und halblaut, als hätten wir Angst, daß jemand hereinkäme, redeten wie die Verschwörer, nein, wie der Dieb und sein Spießgeselle. Denn ich muß dir jetzt etwas sagen. Ich möchte das Ganze ehrlich erzählen, und du wirst gleich verstehen, warum das nicht leicht ist.
    Denn das ist keine Frauengeschichte, was ich da erzähle, kein pikantes Abenteuer, nein. Dafür ist die Geschichte zuwenig munter, und sie ist auch nur insofern meine Geschichte, als ich einer der Protagonisten war. Zwischen uns wirkten in dem Augenblick größere Kräfte, rangen wichtigere Kräfte miteinander, jenseits unserer Einzelschicksale. Also, wir redeten leise. Das war ja auch natürlich, schließlich war ich der Herr und sie das Dienstmädchen, und wir sprachen von vertraulichen und ernsten Dingen, und in jedem Augenblick konnte jemand hereinkommen, meine Mutter oder der Diener, der ja eifersüchtig war. Kurz und gut, die Situation und der Takt verlangten, daß wir leise redeten. Natürlich spürte auch sie, daß man jetzt flüstern mußte.
    Ich aber spürte auch noch etwas anderes. Vom ersten Augenblick unseres Gesprächs an hatte ich gespürt, daß es hier um anderes ging: Da redete nicht einfach ein Mann mit einer Frau, die ihm gefiel, von der er etwas erwartete, die er zu seiner Befriedigung gewinnen wollte, nein. Und ich fühlte auch nicht einfach, daß ich in diese gutgewachsene junge Frau verliebt war, daß ich verrückt war nach ihr, daß ich mich kaum mehr halten konnte, daß ich bereit war, die Welt auf den Kopf zu stellen, um diese Frau zu haben, zu erwerben, zu besitzen. Das alles ist ziemlich langweilig. Kommt in jedem Männerleben vor, und nicht bloß einmal. Geschlechtstrieb wie Hunger, beide können quälend grausam sein. Nein, dieses Geflüster hatte einen anderen Grund. Zuvor hatte ich eine solche Vorsicht nicht gekannt, weißt du. Jetzt hingegen verfocht ich nicht bloß mein eigenes Anliegen, sondern ich redete auch gegen etwas oder jemanden an, deshalb sprach ich so leise. Denn hier nun war es ernst, ernster als in einem galanten Roman zwischen dem jungen Herrn und dem ansehnlichen Zimmerhäschen. Denn als diese Frau aufstand, ohne die geringste Verlegenheit, wie man so sagt, ihre Hände abwischte und mir in die Augen blickte, mit weit geöffneten Augen und sehr aufmerksam – in ihrem schwarzen Kleid mit weißer Schürze und dem weißen Häubchen, so wie das Zimmermädchen in der Operette, lächerlich ähnlich –, da spürte ich, daß ich ein Bündnis anbot, das nicht nur die Befriedigung eines Verlangens betraf, sondern vor allem gegen etwas gerichtet war. Und sie spürte das auch. Wir sprachen sofort vom Wesentlichen, unmittelbar und ohne Umschweife, wirklich so wie in einem Stadtpalais oder auf einem wichtigen Amt zwei Verschwörer miteinander reden, der eine ist hier angestellt, der andere hat hier immer wieder zu tun, und jetzt haben sie endlich zwei Minuten Zeit, ihr gemeinsames Unternehmen zu besprechen, flüsternd und so, als sprächen sie von etwas anderem, sehr aufgeregt und doch so, als erledigte der eine seine Arbeit, während der andere nur gerade hier vorbeigekommen wäre und ihn kurz angeredet hätte. Sie haben nicht viel Zeit. In jedem Augenblick könnte der Chef hereinkommen, oder ein mißtrauischer Beamter geht durchs Zimmer, und wenn man die beiden zusammen sieht, kommt gleich ein Verdacht auf. Deshalb sprachen wir gleich vom ersten Augenblick an vom Wesentlichen, und Judit blickte zwischendurch aufs Feuer, denn die Scheite waren feucht und brannten nicht gleich. Sie kniete sich noch einmal vor den Kamin und fachte das Feuer mit dem Blasebalg an, und ich kniete mich neben

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