Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Menschen der Heimat denkt, an all das Zurückgelassene, das aus dem Goldbad der Erinnerung auftaucht, als wäre es auf feine Art fast schon gestorben. Es hatte eine Fieberstunde gegeben, ich war ein einsamer Bürger gewesen, in dieser Einsamkeit war eine wilde junge Schönheit aufgetaucht, ich hatte zu ihr geredet … und dann das Ganze vergessen. Ich reiste umher, die Wanderjahre vergingen, und dann kehrte ich nach Hause zurück. Nichts war geschehen.
Nur gerade so viel, daß Judit Áldozó in der Zwischenzeit auf mich gewartet hatte.
Das sagte sie natürlich nicht, als ich nach Hause kam und wir uns begegneten. Sie kam mir entgegen, nahm mir Mantel, Hut und Handschuhe ab, lächelte höflich und zurückhaltend, so wie es sich gebührt, wenn der jüngere Herr des Hauses heimkehrt, ein Dienstbotenlächeln. Ich sprach sie an, wie es sich schickte, ebenfalls lächelnd und ohne Verlegenheit. Es fehlte nicht viel, und ich hätte ihr wohlwollend und väterlich die Wange getätschelt. Die Familie hatte sich versammelt. Judit wartete bei Tisch gemeinsam mit dem Diener auf, da der verlorene Sohn heimgekehrt war. Freudenbezeigungen auf allen Seiten, Freude auch bei mir, daß ich endlich zu Hause war.
Mein Vater zog sich noch im selben Jahr zurück, und ich übernahm die Fabrik. Ich ging von zu Hause weg und mietete eine Wohnung in einer Villa am Hügelhang, in Stadtnähe. Jetzt traf ich meine Familie seltener, manchmal vergingen Wochen, ohne daß ich Judit sah. Zwei Jahre danach starb mein Vater. Meine Mutter gab die große Wohnung auf, das Personal wurde entlassen. Sie nahm nur Judit mit, die jetzt den Titel einer Haushälterin führte. Ich ging jeden Sonntag zu meiner Mutter zum Mittagessen. Bei diesen Gelegenheiten sah ich Judit, aber wir sprachen nie miteinander. Wir hatten eine freundliche, höfliche Beziehung, ich nannte sie manchmal vertraulich-wohlwollend Juditka, wie man das bei alternden häuslichen guten Geistern tut. Gut, irgendwann vor sehr langer Zeit hatte es eine verrückte Stunde gegeben, da wir von allerlei gesprochen hatten. Darüber lächelt man dann später nur. Jugendtorheiten. So dachte ich über jene Stunde, wenn sie mir in den Sinn kam. Das war ganz bequem. Nicht ehrlich, aber bequem. Alles war wieder an seinem Platz. Und ich heiratete.
Meine Frau und ich lebten in einer schönen, höflichen Beziehung. Später, als mein Sohn starb, hatte ich das Gefühl, hereingelegt worden zu sein. Die Einsamkeit lauerte in mir wie eine beginnende Krankheit. Meine Mutter beobachtete mich, sagte aber nichts. Dann vergingen die Jahre, ich wurde älter. Mit Lázár brach der Kontakt allmählich ab, hin und wieder trafen wir uns noch, aber die alten Spiele spielten wir nicht mehr. Offenbar waren wir erwachsen geworden. Wer erwachsen ist, ist einsam. Der Einsame ist entweder gekränkt, und dann scheitert er, oder er schließt mit der Welt eine Art heiteren Frieden. Da ich aber innerhalb einer Ehe und einer Familie einsam war, fiel es mir ein bißchen schwer, mit meiner Umgebung diesen heiteren Frieden zu schließen. Jedenfalls war ich beschäftigt, mit der Arbeit, mit dem Gesellschaftsleben, mit Reisen. Meine Frau tat alles, damit wir in Harmonie und Frieden leben konnten. Ein wenig erinnerten ihre Bemühungen um Harmonie und Frieden an verzweifeltes Steineklopfen. Ich konnte ihr nicht helfen. Einmal habe ich versucht, mich mit ihr zu arrangieren, und bin mit ihr nach Meran gereist. Das ist lange her. Da, auf jener Reise, habe ich begriffen, daß das alles hoffnungslos war, daß es keinen Frieden gab und daß mein Leben, so wie ich es mir aufgebaut hatte, zwar erträglich war, aber auch mehr oder weniger sinnlos. Ein großer Künstler erträgt vielleicht eine solche Einsamkeit, er zahlt einen entsetzlich hohen Preis dafür, aber seine Arbeit entschädigt ihn bis zu einem gewissen Grad. Eine Arbeit, die niemand an seiner Stelle machen kann. Eine Arbeit, die den Menschen etwas Einmaliges, Unvergängliches, Wunderbares gibt. Mag sein. Man sagt es so. Ich stelle es mir jedenfalls so vor. Lázár, mit dem ich einmal darüber gesprochen habe, war anderer Meinung. Er sagte, die Einsamkeit führe in jedem Fall zu vorzeitigem Untergang. Es gebe kein Entrinnen, das sei die Regel. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich war kein Künstler, also war ich doppelt einsam in meinem Leben und in meiner Arbeit, die den Menschen nichts Besonderes geben konnte. Ich habe Gebrauchsgegenstände hergestellt, habe am Laufmeter bestimmte Requisiten
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