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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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einmal etwas Wesentliches: Die Engländer wissen, daß man die Dinge überleben muß. Als sie das sagte – und es war vielleicht der erste persönliche Satz, den sie an mich richtete, die erste selbstentdeckte Wahrheit, die sie vor mir aussprach –, flackerte ihr Blick ganz kurz auf und erlosch gleich wieder. Als hätte sie sich nicht zurückhalten können und ihre Meinung gesagt, als bereute sie aber sofort, etwas preisgegeben zu haben, das Geheimnis, daß auch sie über die Welt, sich selbst, mich und die Engländer nachgedacht hatte. Vor dem Feind redet man nicht über seine Erfahrungen. In dem Augenblick spürte ich etwas. Was, das wußte ich nicht. Sie schwieg einen Augenblick. Dann kehrten wir zu den Gemeinplätzen zurück. Das Examen ging weiter. Ja, die Engländer haben Humor, sie lieben Dickens und die Musik. Judit hatte David Copperfield gelesen. Was noch? Sie antwortete ruhig. Den neuen Roman von Huxley hatte sie für die Reise gekauft. Point Counter Point sei der Titel. Sie habe ihn auf der Reise gelesen, sei aber noch nicht fertig damit. Wenn ich wolle, leihe sie ihn mir aus.
    An dem Punkt waren wir also. Ich saß mit Judit Áldozó in einem Restaurant der Innenstadt, wir aßen Hummer mit Spargel, tranken schweren Rotwein und plauderten über Huxleys neuen Roman. Ihr Taschentuch, das sie vor mir entfaltete, hatte einen schweren, angenehmen Duft. Ich fragte sie, welches Parfum sie habe. Sie nannte mit makelloser Aussprache den Namen eines amerikanischen Produkts. Sie sagte, sie möge die amerikanischen Parfums lieber als die französischen, denn die seien ein bißchen schwül. Machte sie sich über mich lustig? Ich sah sie mißtrauisch an. Aber nein, das war kein Witz, sondern ihr Ernst. Es war ihre Meinung. Und die sprach sie aus wie jemand, der aus seinen Erfahrungen bestimmte Wahrheiten herausdestilliert hat. Ich wagte nicht zu fragen, wo diese Bauerntochter aus Westungarn ihre Erfahrungen gesammelt hatte, woher sie so sicher wußte, daß die französischen Parfums »ein bißchen schwül« sind. Und überhaupt, was sie in London sonst noch gemacht hatte, außer daß sie in einem englischen Haus Dienstmädchen war. Bis zu einem gewissen Grad hatte auch ich London und die englischen Häuser kennengelernt, und ich wußte, daß arm und bedienstet sein auch in London kein Zuckerschlecken war. Judit sah mich ruhig an, als wartete sie auf weitere Fragen. Und schon an dem ersten Abend fiel mir etwas auf, wie später dann auch, bis zum Schluß, jeden Abend. Weißt du, sie akzeptierte jeden meiner Vorschläge. Gehen wir da und da hin, sagte ich; sie nickte, ja, gut. Aber wenn der Wagen schon angefahren war, sagte sie leise: »Noch besser wäre vielleicht …« Und dann kam der Name eines anderen Restaurants, das aber in keiner Weise besser oder vornehmer war als das von mir vorgeschlagene. Aber wir gingen dann in dieses. Und wenn ich etwas für sie bestellt hatte, dann kostete sie davon, schob den Teller weg und sagte: »Noch besser wäre vielleicht …« Und diensteifrig brachten die Kellner andere Speisen, andere Getränke. Immer mußte es etwas anderes sein. Und immer wollte sie anderswohin. Ich dachte, dieses Hin und Her habe mit Verlegenheit und Angst zu tun. Erst allmählich begriff ich, daß ihr das Süße nie süß genug, das Salzige nie salzig genug war. Das Hähnchen, das der Meisterkoch zu einem knusprigen Kunstwerk gebraten hatte, schob sie samt Teller von sich und sagte leise, aber sehr bestimmt: »Das schmeckt nicht. Ich möchte etwas anderes.« Und die Sahne war nie sahnig genug und der Kaffee nie stark genug, nirgends, nie.
    Ich dachte, das seien Marotten. Schau da einfach mal zu, dachte ich. Und so beobachtete ich sie. Amüsierte mich sogar über die Marotten.
    Doch dann begriff ich, daß der Ursprung dieser Marotten in einer Tiefe lag, die ich nicht ausleuchten konnte. Der Ursprung war die Armut. Judit kämpfte mit ihren Erinnerungen. Manchmal so sehr, daß es mich rührte. Doch diese Seele war jetzt überschwemmt, die Dämme, die die Armut zwischen ihr und der Welt errichtet hatte, waren gebrochen. Sie wollte nichts Besseres oder Glänzenderes, als was ich ihr freiwillig bot: Sie wollte anderes , verstehst du? Wie ein Schwerkranker, der hofft, im anderen Zimmer werde es besser sein, oder irgendwo lebe ein Arzt, der mehr wisse als der, der ihn behandelt, oder irgendwo gebe es ein Medikament, das wirksamer ist als alle, die er bisher eingenommen hat. Sie wollte anderes, irgend etwas

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