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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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anderes. Und manchmal bat sie dafür um Entschuldigung. Sie sagte nichts, sondern schaute mich bloß an, und das waren vielleicht die Augenblicke, da mir diese hochmütige, gekränkte Seele wirklich nahe war. Sie blickte mich fast hilflos an, als wollte sie sagen, sie könne nichts für die Armut und die Erinnerungen. Doch dann redete in ihr wieder eine laute Stimme, die dieses stumme Flehen übertönte. Die Stimme, die das andere wollte. Schon vom ersten Abend an.
    Was wollte sie? Die Rache, alles. Wie wollte sie es? Das wußte sie selbst nicht, wahrscheinlich hatte sie zu diesem Feldzug keinen Schlachtplan ausgearbeitet. Es ist eben nicht gut, diese träge, tiefe Ordnung aufzuwühlen, in welche die Menschen hineingeboren sind. Manchmal ereignet sich ein Unfall, eine unvorhergesehene Wendung, eine ungewohnte Beziehung, und jemand wacht auf und blickt um sich. Und findet sich nicht mehr zurecht. Weiß nicht mehr, was er will und wie er seine Bedürfnisse zügeln soll und was es ist, wonach er sich wirklich sehnt. Er vermag den Horizont seiner aufgewühlten Phantasie nicht mehr zu bestimmen und zu überblicken. Auf einmal ist nichts mehr gut. Gestern hat er sich noch über einen Riegel Schokolade oder ein farbiges Band oder sonst etwas Einfaches gefreut, über die Gesundheit oder den Sonnenschein. Er trank aus einem schartigen Glas reines Wasser und freute sich, daß es kühl war und seinen Durst löschte. Abends stand er am Gitter im Gang des Mietshauses, horchte ins Dunkel, von irgendwo kam Musik, und er war beinahe glücklich. Betrachtete eine Blume und mußte lächeln. Die Welt hält wunderbare Befriedigungen bereit. Doch dann ereignet sich der Unfall, und eine Seele verliert ihre Ruhe.
    Was tat Judit? Sie begann eine Art Klassenkampf gegen mich, auf ihre Weise.
    Vielleicht gar nicht gegen mich persönlich. Bloß verkörperte eben ich die Welt, die sie so unsäglich begehrte, auf die sie so verzweifelt, so krankhaft neidisch war, zu der sie mit heillos nüchterner, kalter Berechnung strebte, so daß sie, als sie alle diese Wünsche auf mich übertragen konnte, ihre Ruhe verlor. Zuerst war sie heikel und zappelig. Schickte die Speisen zurück. Dann begann sie – zu meinem stillen Erstaunen –, in den Hotels die Zimmer zu tauschen. Die kleine Suite mit Badezimmer auf der Parkseite tauschte sie gegen eine größere, die auf den Fluß ging und Salon und einen Alkoven hatte. Sie sagte: »Hier ist es ruhiger«, wie eine zickige Diva auf der Durchreise. Ich hörte mir ihre Klagen an und lächelte. Ihre Rechnungen beglich natürlich ich, ohne Aufsehen: Ich gab ihr ein Scheckbuch und bat sie, alles selbst zu regeln. Bald schon, nach drei Monaten, meldete sich die Bank mit der Nachricht, daß der nicht unbeträchtliche Betrag auf dem Konto, das ich für Judit eröffnet hatte, erschöpft war. Wie und wofür hatte sie das Geld ausgegeben, eine für ihre Begriffe ansehnliche Summe, ein richtiges kleines Vermögen? Diese Frage, die ich ihr selbstverständlich nicht stellte, hätte sie wahrscheinlich gar nicht beantworten können. Die Bremsen einer Seele hatten nachgegeben, das war alles. Ihre Schränke füllten sich mit sehr teuren, erstaunlich geschmackvollen, weitgehend überflüssigen Fetzen. Sie ließ im besten Salon der Stadt arbeiten, griff gierig und leichtsinnig, mit dem Scheckbuch in der Hand, nach Hüten, Kleidern, Pelzen, modischen Neuheiten, denn in ihrer Situation war das alles nicht selbstverständlich. Wobei sie dieses zusammengeraffte Zeug meistens gar nicht trug. Verhungernde fallen auf diese Art über den gedeckten Tisch her, ohne sich darum zu kümmern, daß die Natur ihren Wünschen erstaunlich schnell Grenzen setzt und daß sie sich unweigerlich den Magen verderben werden.
    Also, nichts war gut genug. Diese Seele suchte noch etwas Zusätzliches, begeistert, aufgeregt und hastig. Vormittags durchforschte sie die teuren Geschäfte der Innenstadt, auf Teufel komm raus, als befürchtete sie, die Händler würden die Waren vor ihrer Nase an andere verkaufen. Was für Waren? Noch ein Pelzmantel? Noch ein bunter Fetzen, noch mehr modischer Schmuck, noch weitere Kinkerlitzchen für die Saison? Ja, das alles, und dann auch unmögliche, unsinnige Dinge, an der Grenze des guten Geschmacks. Eines Tages mußte ich doch etwas sagen. Da blieb sie plötzlich stehen wie ein Amokläufer. Sah um sich wie ein erwachter Schlafwandler. Begann zu weinen. Sie weinte tagelang. Und kaufte lange Zeit nichts mehr.
    Doch dann

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