Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
wie Fallschirme. Sie gelangten, wenn auch etwas unsanft, so doch wohlbehalten zu Boden. Unter Schüssen von oben flüchteten Martinitz und Slawata ins Palais der erzkatholischen Adelsfamilie Lobcowicz. Der Fenstersturz gilt als Auslöser für den Dreißigjährigen Krieg, dem ersten großen gesamteuropäischen Weltkrieg.
1619
WINTERKÖNIG Ende August 1619 versammelten sich die Böhmen abermals und erklärten den habsburgischen König Ferdinand II. für abgesetzt. Zwei Tage darauf, am 28. August, wählten die Stände den jungen calvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz aus dem Geschlecht der Wittelsbacher zu ihrem König. Der neu gewählte und im November 1619 gekrönte böhmische König war ein politisches Leichtgewicht, das sich auf Hofbällen verlustierte. Er war der Winterkönig, denn seine Herrschaft sollte nur ein Jahr dauern. Indessen rüstete die katholische Seite zum Krieg, allen voran der mittlerweile auch zum Kaiser avancierte Ferdinand II. und das Oberhaupt der Katholischen Liga, der Bayern-Herzog Maximilian. Schon 1608 hatte sich eine protestantische »Union« überwiegend norddeutscher Fürstentümer und Reichsstände unter Führung der Pfalz gebildet, wogegen sich 1609 eine »Liga« katholischer Fürstentümer, vor allem Bayern, habsburgische Fürsten und die geistlichen Fürstbistümer, erklärte. Dies waren die beiden Machtblöcke, die sich gegenüberstanden. Der Anlass für eine Auseinandersetzung war gegeben. Gleichwohl schlugen beide Seiten nicht sofort los, sondern taktierten vorsichtig. Die katholische Seite wollte nicht das ganze protestantische Deutschland gegen sich aufbringen und die protestantische Union dachte nicht daran, den leichtfertigen Friedrich zu unterstützen. So verständigte man sich im Sommer 1620 darauf, dass die protestantische Union sich in die »innerböhmischen Angelegenheiten nicht einmischen wolle«. Damit hatte die Katholische Liga unter ihrem Feldherrn, dem streng katholischen Grafen Tilly, freie Hand in Böhmen. In der Schlacht am Weißen Berg bei Prag am 8. November 1620 wurde der Winterkönig vernichtend geschlagen.
1618–1648
T ILLY UND WALLENSTEIN Der Dreißigjährige Krieg heißt so, weil er vom Jahr des Prager Fenstersturzes (1618) bis zum Westfälischen Frieden (1848) gezählt wird. Die eigentlichen Kriegshandlungen hielten sich anfangs jedoch in Grenzen. Tilly schwenkte nach seinem Sieg am Weißen Berg rasch in die protestantische Pfalz und trieb dort gemeinsam mit dem habsburgisch-spanischen General Spinola, der aus den Niederlanden herbeigeeilt war, die Rekatholisierung mit Morden und Brandschatzen voran.
1623 sah es so aus, als sei der Krieg zu Ende. Der Winterkönig wurde vom Kaiser abgesetzt, seine pfälzische Kurwürde eingezogen und als – lang ersehnte – Belohnung vom katholischen Kaiser an den erzkatholischen Herzog von Bayern neu vergeben. Da Kaiser Ferdinand II. wenig Gefallen daran fand, sich dem bayerischen Herzog und neuen Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches Maximilian I. unterzuordnen – der nun als Haupt der Liga militärisch auf katholischer Seite führend war –, heuerte er den böhmischen Kleinadligen und Geschäftemacher Wallenstein an, damit dieser eine kaiserliche Armee aufstellte.
Aber auch Wallenstein machte Krieg eher auf eigene Faust gegen die Protestanten und verwüstete Norddeutschland. 1630 musste Kaiser Ferdinand II. seinen Generalissimus auf Druck der Kurfürsten wieder entlassen. Da landete der junge schwedische König Gustav II. Adolf 1630 im pommerschen Usedom, um den Protestanten zu Hilfe zu eilen. Kardinal Richelieu hatte dieses Eingreifen diplomatisch vorbereitet. Der katholische Premier Ministre Frankreichs paktierte auch mit den Protestanten – Hauptsache, es ging gegen Habsburg.
Tilly, nunmehr oberster Feldherr der Kaiserlichen und der Katholischen Liga, zog Gustav Adolf entgegen. Die grausame Belagerung und Zerstörung Magdeburgs durch Tilly brachte alle Protestanten auf die Seite des Schwedenkönigs. Der vernichtete 1631 die katholischen Heere bei Leipzig; Tilly konnte fliehen. Gustav Adolf zog durch Mitteldeutschland an den Rhein. Bei der Gelegenheit wurde die bedeutende Heidelberger Universitätsbibliothek, die Palatina, nach Schweden verfrachtet. Dann ging es weiter nach Süddeutschland, wo Tilly an der Donau fiel. Gustav Adolf zog kampflos in München ein. Der Kaiser musste Wallenstein kniefällig anflehen, wieder die Armeeführung zu übernehmen. Der ließ sich
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