Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
Republiken und konstitutionellen Monarchien der Gegenwart bestehen um eines Gewaltmonopols willen, teilen die Macht aber auf verschiedene Staatsorgane auf (Parlament, Regierung, Gerichte). Diese moderne Staatsidee, zu der eine von geschulten Beamten getragene Verwaltung und ein geregelter Staatshaushalt gehören und keine lokale Verwaltung durch ortsansässige, adlige Grundherren, war eine Reaktion auf die Zerrüttung der Königreiche und Fürstentümer in den Religions- und Bürgerkriegen des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Vorbild waren kleine, effizient geführte Fürstentümer im Italien der Spätrenaissance und der Kirchenstaat. Von Staat im modernen Sinn kann man deswegen erst seit dieser Zeit sprechen. Praktisch alle Königreiche Europas, auch die deutschen Fürstentümer nach dem Dreißigjährigen Krieg, orientierten sich am französischen Vorbild.
1628/1679
HABEAS CORPUS » Habeas corpus ad subjieciendum. « »Du sollst diesen Körper (diese Person) festhalten, damit Anklage gegen ihn erhoben werdenkann.« So lautete im mittelalterlichen England die Eingangsformel für Haftbefehle. Der absolutistisch regierende, später durch Parlamentsbeschluss geköpfte englische König Karl I. hatte zu seiner Regierungszeit wohlhabenden Bürgern damit gedroht, sie einsperren zu lassen, falls sie seine Kriegsanleihen nicht kauften. Unter anderem gegen solche Willkürakte wandte sich das Parlament 1628 mit der Petition of Rights.
Der Sohn und Nachfolger Karl II., 1660 vom Parlament als König installiert, musste in einer Schwächephase seiner Regierung 1679 den auf der Petition beruhenden Habeas Corpus Act akzeptieren. Das Gesetz schützt vor willkürlichen Verhaftungen, indem es bestimmt, dass Inhaftierte innerhalb von drei Tagen einem Richter vorzuführen seien. Es schränkt das vorher unbegrenzte Verhaftungsrecht des Königs ein und ist Teil aller rechtsstaatlichen Verfassungen geworden. Genau hier liegt der Ursprung der in jeder Krimiserie bei Verhaftungen üblichen Formel: »Sie haben das Recht auf einen Anwalt …«
1688
GLORIOUS REVOLUTION Ohne Blutvergießen beendeten die Engländer die Herrschaft des vierten, katholischen Stuart James II., der unter anderem England dadurch zu rekatholisieren gedachte, dass er penetrant Stellen mit Katholiken besetzte. Seine einzige Tochter Maria, eine Protestantin, war mit Wilhelm von Oranien, dem Herrscher (»Statthalter«) der Niederlande verheiratet. Die Lage eskalierte, als 1688 unverhofft ein männlicher Kronprinz geboren wurde. James sah seine katholische Dynastie gerettet und forcierte den antiprotestantischen Kurs. Die Protestanten im Parlament befürchteten genau das.
Eine adlige protestantische Delegation bat nun den niederländischen Ehemann Marias um militärische Intervention. Wilhelm von Oranien zögerte nicht lange. Die niederländischen Truppen wurden bei ihrer Landung wie Befreier begrüßt, königliche Offiziere liefen zu Wilhelm über. Bei seiner Flucht aus London warf James das Staatssiegel in die Themse. Das interpretierte man als Abdankung. Von dem neuen Herrscherpaar erwartete man eine »glorreiche« Erneuerung des protestantischen Königtums in Großbritannien.
1689
BILL OF RIGHTS Schon im Vorfeld hatte die inoffizielle britische Parlamentsdelegation klargemacht, dass das neue Herrscherpaar die Rechte des Parlaments anerkennen müsse, was Wilhelm bei seiner Krönung beschwor. Diese wurden in Gesetzesform gegossen, als Bill of Rights im Oktober 1689 vom Parlament verabschiedet und von König und Königin anerkannt. Es handelt sich also um ein Verfassungsgesetz, da es die Beziehungen zwischen Krone und Parlament regelt. Es ist das erste konstitutionelle Gesetz überhaupt.
Die königliche Regierung darf seitdem nur noch mit Parlamentszustimmung Steuern erheben und im Frieden ein stehendes Heer unterhalten. Die Bill verankerte das freie Rederecht der Abgeordneten, also deren parlamentarische Immunität. Kein König konnte von nun an mehr die Abgeordneten wegen ihrer (kritischen) Äußerungen gerichtlich verfolgen. Das war zusammen mit der endgültigen Zementierung des Prinzips, dass wichtige politische Entscheidungen der parlamentarischen Zustimmung bedürfen, der entscheidende erste Schritt zum Parlamentarismus in Europa, vorbildlich zuerst für die USA und Frankreich, in der Folge dann für die gesamte konstitutionelle Bewegung im 19. und 20. Jahrhundert.
1707
VEREINIGTES KÖNIGREICH II – GROßBRITANNIEN
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