Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
Vom Netzwerk:
Gäste und Tischecken herumkurvten. Unsere beiden Biergläser schwebten, ohne zu schwappen, durch den Raum, glitten sicher über die Köpfe, doch ihr Becken wiegte sich mit präziser Eleganz durchs Gewühl.
    »So, zwei Bier. Eines für Sie und eines für dich! Essen dauert einen Moment. Ist gerade viel los.« »Müssen Sie das alles alleine machen? Hilft Ihnen niemand?« Das war natürlich genau die richtige Frage und traf sie heiß in ihr balkanisches Herz. »Allerdings. Ich schick Ihnen mal meinen Chef. Könnten Sie dann bitte die Frage wiederholen?« »Das mach ich!«, rief mein Vater viel zu laut, »schicken sie mir den Kerl her!« Sie warf den Kopf und ließ sich von ihrem Hüftschwung zurück zur Küche lenken.
    Ohne lange darüber nachzudenken, holte ich ihn mit einer Frage auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich war selbst überrascht, wie schnörkellos ich dieses heikle Thema ansprach. »Warum bist du eigentlich nicht in Lübeck geblieben?« Er war sichtlich überrumpelt, schob seinen Bauch hin und her und trank das Bierglas halb leer: »Ach, weißt du, ich hab ja nur ein halbes Jahr bei ihr gewohnt. Es war schwer mit den Kindern. Die sind ja noch klein. Und jetzt die Sache mit meinem Bein.« Seine Sprache verlangsamte sich. »Das wird jetzt ja eher schlechter werden. Das wäre doch eine Zumutung.« Auch ich trank etwas von meinem Bier. »Was meinst du denn mit Zumutung? Du warst doch da glücklich.« »Ja, das war ich wirklich. Aber diese Krankheit und ihre Kinder. Das wollte ich nicht.« »Und jetzt?« »Mal sehen.« »Aber dass du dir diesen Krankenhausfraß aus dem Hesterberg bringen lässt, ich finde, das geht nicht, Papa!«
    Als sie mit dem Essen kam, mein Lamm vor mir und die mit verkohlten Peperoni dekorierte Grillplatte vor meinem Vater landete, waren wir beide froh, genau zu wissen, was jetzt zu tun war. Mein Vater machte Muh und nagte am Kotelett, ich machte Mäh und drückte die Fleischstücke vom Spieß. Als wir fertig waren, lag auf dem Teller meines Vaters ein ganzer Berg sauber abgenagter Knochen, deren Anblick ich widerlich fand. Er hatte alles verschlungen. Die Knorpel, die Sehnen, das Fett. Die Knochen strahlten weiß und abgeleckt wie Gebeine, die jeden Moment in eine Katakombe verfrachtet werden könnten. Er winkte der Kellnerin zu und gab ihr ein viel zu hohes Trinkgeld, das diese mit, so kam es mir vor, Verachtung quittierte und uns keines Blickes mehr würdigte.
    »Wollen wir noch ein bisschen durch die Landschaft fahren? Mal raus aus dem Kaff hier?«, fragte ich meinen Vater, schon angeschnallt im Auto sitzend. Die Vorstellung, direkt zurück in unser Haus zu fahren, war eine ungute. Er wuchtete seinen Po auf dem Autositz vor und zurück, um eine erträgliche Position zu finden: »Gerne, aber nicht zu lange, o.   k.?« Ich nickte und startete den Wagen. Wir verließen die Stadt und fuhren schon bald durch die sanft hügelige Landschaft. Die gemähten Kornfelder schimmerten blond. »Ich brauch mal eine Pause«, bat mich mein Vater, und bei der nächsten Gelegenheit bog ich in einen Feldweg ein.
    Wir stiegen aus. Der Wechsel aus der Enge des Wagens, wie aus einem abgeschlossenen Gehäuse hinaus in die Landschaft, tat gut. Direkt vor uns sah ich auf einer ausgedehnten Koppel eine monströse landwirtschaftliche Maschine. Es war kein Mähdrescher. In langsamem Tempo fuhr das brummende Ungetüm über lange Bahnen gemähten, bis zu mir herüber duftenden Grases. Auf dem bereits abgefahrenen Teil der Wiese lagen mehrere, in weißen Kunststoff verpackte Kugeln. Wie riesige Eier lagen sie da, in exakt eingehaltenen Abständen zueinander, jede bestimmt zwei Meter im Durchmesser. Ich beobachtete die Maschine bei ihrer Arbeit. Mein Vater stellte sich neben mich. Ich war gespannt, wie es aussehen würde, diese Eier zu legen, und schätzte den Abstand vom letzten Ei zu der Stelle, wo es zur nächsten Eiablage kommen würde.
    Das Fahrzeug blieb stehen. Aus seinem Hinterteil fuhren drei Greifarme heraus. Einen Moment geschah nichts, aber ich hörte es im Inneren des Fahrzeuges dröhnen. Da öffnete sich eine Luke und ein gewaltiger Heuballen wurde herausgepresst. So groß hatte ich ihn nicht erwartet. Er rutschte in eine Art Halterung, und plötzlich fingen die Greifarme an zu rotieren, drehten sich schneller und schneller, wurden unscharf und schließlich unsichtbar. Ich begriff nicht recht, was das sollte. Doch schon im nächsten Moment sponnen die Arme weiße Bahnen Kunststofffolie um den Ballen

Weitere Kostenlose Bücher