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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Weiterführendes antworten. Außerdem hab ich doch gesagt, dass die ein bisschen stinken.« »Gib ihr doch die drei Punkte. Jetzt bin ich dran.«
    Unser Hund lag, während wir spielten, auf dem Küchenboden und träumte. Zuckte unrhythmisch mit den Pfoten und witterte etwas. Mein Vater dachte nach: »Also gut. Drei Punkte für dich. So und jetzt du.« Mein mittlerer Bruder strich sich die Haare aus dem Gesicht und wartete. Mein Vater überlegte. Die Fragen an meinen Bruder mussten wohl gewählt sein. Waren sie zu leicht, wurde er sauer und war tief in seiner – davon war er fest überzeugt – einzigartigen Ausnahme-Intelligenz gekränkt. Waren sie zu schwer, konnte es passieren, dass er anfing zu weinen, da er es nicht aushielt, etwas nicht zu wissen. Sein Spezialgebiet war natürlich die Medizin. »Gut, also hier deine Frage: Was ist eine Bursitis?« Obwohl mein Bruder so tat, als wäre das eine hammerschwere Frage, hatte ich durch das Blau seiner Augen einen glücklichen Funken springen gesehen, der mir eindeutig verriet, dass er es wusste. »Oh Mann, das ist wirklich hart. Bursitis?« »Zu schwer?«, fragte meine Vater. »Du kannst ein Mal eine Frage tauschen.« »Gib ihm doch einen Tipp«, bat ihn meine Mutter. »Nee, Tipp is nicht!«, beharrte mein ältester Bruder streng auf den Regeln. Mein mittlerer Bruder legte seine Stirn in Falten, tat so, als würde er in den überprall mit Wissen vollgestopften Gehirnschubladen seines Universalgeistes stöbern: »Bursitis. Hmm. Bursa? Das müsste auf Lateinisch Tasche oder Beutel bedeuten. Ah, warte mal. Beutel. Genau!« Wir alle sahen ihn an, wir alle durften dabei sein, wie sich die Wissens-Splitter unter höchster Gedankenanspannung zusammenfügten. Jetzt war das Ergebnis da: »Bursitis – ganz klar – Schleimbeutel-Entzündung. Kann an den unterschiedlichsten Stellen auftreten. Überall da, wo Sehnen über Knochen oder Muskeln gleiten. Das wird ordentlich dick und warm. Dagegen hilft eigentlich nur kühlen. Wenn es eitrig wird, muss man den Schleimbeutel chirurgisch entfernen. Das riecht gar nicht gut.«
    Das tief befriedigte Nicken meines Vaters wurmte mich. Woher wusste mein Bruder so etwas? Kein Junge der Welt in seinem Alter wusste, was eine Schleimbeutelentzündung ist. Mein Vater gab ihm selbstverständlich die volle Punktzahl. Glücklich sagte er: »Ganz klar! Drei dicke, fette Punkte für dich. Besser hätte ich das auch nicht formulieren können. Volltreffer. So, und nun bist du dran, mein Lieber.«
    Der schlafende Hund schien etwas Köstliches gefunden zu haben, sabberte auf die Küchenfliesen und kaute auf seinem Traum herum. Mein Spezialgebiet war die Wüste. Tatsächlich habe ich mich damals brennend für die Wüste interessiert.
    »Wie nennt man die sehr giftigen Tiere, mit denen man in der Wüste auf keinen Fall in Berührung kommen sollte? Und ich meine keine Schlangen!« Alle guckten mich an. Warteten. Alle wussten die Antwort. Ich überlegte. Hirnleere. Das einzige Tier, das mir unter den Blicken meiner Familie in den Sinn kam, war: Kamel. Aber das konnte nicht sein, das war völliger Blödsinn: giftiges Kamel. Nach dem Unterschied zwischen Kamel und Dromedar hatte mich mein Vater schon viel zu häufig gefragt. Wer ist giftig und lebt in der Wüste? Meine Mutter formte ihre Hände zu zwei auf und zu schnappenden Zangen. »He, keine Hilfestellung! Das gibt Punktabzug!« Da wusste ich es plötzlich. Ich sah das gefragte Tier vor mir, aber seine Bezeichnung fiel mir nicht ein, und ohne weiter darüber nachzudenken rief ich: »Krebs!« Meine Brüder ließen sich vor Enttäuschung überdramatisch nach vorne auf die Tischplatte fallen, wodurch der Hund aufwachte und einen Gähnkrampf bekam.
    »Fast …«, sagte mein Vater. »Fast! Es sieht einem Krebs ein wenig ähnlich, aber es heißt anders!« Meine Mutter sagte: »Das gibt es auch als Sternzeichen!« Ich war so aufgeregt, wollte unbedingt den Punkt ergattern. Sternzeichen? Mein Sternzeichen ist doch …? Ohne weiter darüber nachzudenken, unendlich dankbar für den Tipp meiner Mutter, rief ich zum zweiten Mal: »Krebs!« Meine Brüder fingen an zu lachen: »Ey, schnall das doch mal: Es ist kein Krebs. Warum brüllst du denn andauernd Krebs? Es gibt keine Krebse in der Wüste. Krebse leben im Meeeeer!«
    Mein Vater hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben: »Lasst ihn doch noch mal überlegen.« Gegenüber von mir fuchtelte meine Mutter mit ihren Zangenhänden herum, schnapp, schnapp, und sah mich

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