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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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ließ er sich seinen Schwung nicht nehmen. Doch ich bemerkte nach dieser ersten praktischen Erfahrung eine Prise Ernüchterung in seiner Stimme. Meine Mutter dagegen war begeistert vom Segelkurs: »Mein Gott!«, rief sie, »jetzt lebe ich schon so lange am Meer, und erst jetzt gehe ich zum ersten Mal segeln. Die Luft war so herrlich. Und wie schnell man das Land hinter sich lässt. Man hat ja gar keine Ahnung, wie unsere Stadt vom Wasser her aussieht.« Mein Vater blickte von seinem Doppelten Palstek auf und fragte: »Verheißt starkes Flimmern und Funkeln der Sterne gutes oder schlechtes Wetter?« »Na, wenn der Himmel so klar ist«, kombinierte meine Mutter, »kann das Wetter doch nur schön werden!« »Falsch!«, rief mein Vater: »Komplett falsch! Wenn die Sterne funkeln und flimmern, verheißt das schlechtes Wetter, stürmische See. Mein Gott, wie willst du bloß die Prüfung schaffen?«
    Mehrmals verpasste mein Vater den Segelunterricht. Er kümmerte sich viel lieber um den Kauf unseres Bootes. Er hatte eine Anzeige in einem der frisch abonnierten Segelmagazine entdeckt. Eine Jolle, ein relativ günstiges Kajütboot, Stehhöhe einssiebzig, Kielboot, Außenbordmotor, wendig, einfache Handhabung. Doch ausschlaggebend waren zwei Adjektive: unkenterbar und unsinkbar. Es gab nur fünf Exemplare dieses Bootstyps mit Namen Sepia. Noch bevor mein Vater und meine Mutter ihren Segelschein gemacht hatten, kam auf einem Hänger unser Segelboot aus Köln. Der Bootsbauer brachte es höchstpersönlich nach Schleswig. Wir warteten im Hafen auf unser Boot, und als endlich der Hänger um die Ecke kam, stand mein Vater ganz aufrecht mit durchgedrückten Knien: »Da kommt es. Da kommt unser Segelboot!« Im Schleswiger Schlei-Segel-Club hatte noch nie jemand von einer Jolle Marke Sepia gehört.
    Wir hatten lange über einen Namen gestritten. Mein mittlerer Bruder hielt ein flammendes Plädoyer für »Die Nautilus«, als meine Mutter plötzlich aufsprang: »Ich weiß einen Namen. Wir nehmen eure Anfangsbuchstaben: Joachim, Martin, Hermann. Jeweils die ersten beiden Buchstaben: Die JoMaHe.« Und so wurde unser mit einem Kran ins Wasser gehobenes Schiff mit einem geschleuderten Piccolo-Fläschchen, das eine erste kleine Delle in der Kunststoffwand hinterließ, auf den Namen »JoMaHe« getauft.
    Zwei Monate später war der große Tag der Segelprüfung da. Mein Vater war als Erster fertig und fachsimpelte, während auf die anderen gewartet wurde, mit dem Prüfer herum. Er bestand den theoretischen Teil der Prüfung mit null Fehlerpunkten. Meine Mutter hatte vier Fehlerpunkte, aber auch sie bestand. Dann kam der praktische Teil. Der Wind war stark. Sieben Windstärken. Alle Prüflinge mussten gelbes Ölzeug anziehen, über das Ölzeug eine Schwimmweste und eine rote Pudelmütze, zur besseren Sichtung. Mein dicker Vater sah völlig absurd aus. Derart verunstaltet und mit Blick auf die unruhige See verschlechterte sich seine von der theoretischen Prüfung gehobene Stimmung prompt. Der Prüfer rief die Kommandos von einem Motorboot durch ein Megafon in den immer mehr auffrischenden Wind. Sie wurden aufgerufen: »Herr Professor, bitte besteigen sie zusammen mit Ihrer Frau die Jolle!«
    Mein Vater und meine Mutter kletterten vom Steg in das schwankende Boot. »Bitte legen Sie ab und setzen Sie das Segel!« Das ging noch, da die Mole etwas Schutz bot. »Sie sehen dort hinten einen Ponton. Kreuzen Sie bitte bis zu diesem Ponton!« Als sie das offene Wasser erreichten, fuhr der Wind ungebremst in das Segel, und das Boot legte sich schräg. Mein Vater stürzte gleich beim ersten Manöver, obwohl er die Regel: »Immer eine Hand am Boot!« strikt befolgt hatte. Als der Wind das Segel erfasste, gab es einen solchen Ruck, dass er auf den nassen Planken ausrutschte. Meine Mutter versuchte durch eine Halse das Boot in den Wind zu bekommen. Als sich mein Vater wieder aufrichten wollte, bekam er den Großbaum an den Kopf und ging erneut zu Boden. Das Megafon brüllte: »Herr Professor, ist bei Ihnen alles in Ordnung?« Mein Vater hob beide Hände, wollte um Hilfe bitten, als das Boot mit voller Wucht den Ponton rammte und er zum dritten Mal auf den Schiffsboden krachte. Meine Mutter bekam die Jolle unter Kontrolle, und während mein Vater einfach mit geschlossenen Augen auf dem Bootsboden liegen blieb, selbst dann noch liegen blieb, als ihn meine Mutter mehrmals angebrüllt hatte »Mensch hilf mir doch! Hilf mir!«, segelte sie die nächsten Manöver

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