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Wanted

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Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Katanga-Canyon!«
    Das war offensichtlich und auch mehr oder weniger der einzige Weg, der ihm blieb. Mit einem panikblind ballernden, praktisch unstoppbaren Pancho auf der einen Seite, mir und, nicht zu vergessen, zwei weiteren Heavies auf der anderen und den mit einem Indianerfluch belegten Eisenbahngleisen auf der dritten, blieb Dickie geographisch keine andere Wahl, als sich entweder senkrecht in die Lüfte zu erheben oder aber hinein in den die Schwarzen Berge trennenden Katanga-Canyon zu flüchten.
    »Und?«, machte ich. »Hinterher!«
    Und Bro Ho und Shits drehten sich zu mir und sahen mich an, als ob ich den Verstand verloren hätte.
    Ich verstehe überhaupt nicht, dachte Pancho und feuerte mit rechts, wieso ich, dachte er weiter und feuerte mit links, wieso ich bisher, dachte er und lud nach, im vollen Galopp und immer hinter Dicksie Thysson her, wieso ich bisher immer so einen Bammel vor Schusswaffen gehabt habe. Teufel, sagte er sich, zielte diesmal sogar und drückte ab, das macht ja Laune. Das Einzige, das mich wundert, wunderte er sich, ist, dass ich bisher bei allem Schießen, bei allem Zielen, noch nichts getroffen habe ... Als buchstäblich aus heiterem Himmel ein Geier herabgesegelt kam, dabei eine tanzende Spur von Federn hinter sich herzog und hart auf dem trockenen Grund landete. Na ja, fast nichts, tröstete sich Pancho.
    »Du willst tatsächlich in den Katanga-Canyon?!«
    Shits schauderte. Nur wenige Leute ritten heutzutage noch in diese finstere, von Tausenden von lange erloschenen Feuern geschwärzte Schlucht hinein, aus deren steilen Wänden zahllose Höhlen und Mineneingänge auf einen herabblickten wie tote, vorwurfsvolle Augen.
    Und noch weniger, dachte er und half dem Fremden dabei, die schweren Packtaschen von Beemer auf Knuckle umzuladen, noch viel weniger kamen je wieder herausgeritten.
    »Nicht in den Katanga-Canyon!« Bro Ho schüttelte sich unwillkürlich. Kaum jemand wagte sich dieser Tage noch vor in die weit verstreuten, rußschwarzen Ruinen alter Mühlen, Schmelzen, aufgegebener Fördertürme, in die bizarre Landschaft aus Schutt und Schrott zu Füßen der dräuenden Wände.
    »Er ist in den Katanga-Canyon geritten!«, stieß Pancho hervor und stieg mit fliehendem Atem und wilden Augen vom vehement verzögerten Pferd. »Wahnsinn!«
    Etwas an der mangelnden Zustimmung zu dieser seiner letzten Bemerkung und dem irgendwie viel sagend wirkenden Schweigen um ihn herum riss Pancho aus seinen Zukunftsträumen von sich selbst als dem bekanntesten Revolverhelden des ganzen Westens, und des Ostens noch gleich mit dabei, Süden sowieso, nur über den Norden war er sich nicht sicher, da war es immer so schauderhaft kalt, und eine plötzliche Vorahnung jagte ihm einen kalten Schauer den Rücken hinunter.
    »Ihr wollt doch nicht etwa hinterher?«
    »Frag ihn«, brummte Bro Ho.
    »Er will«, knurrte Shits. Und beide meinten den Fremden.
    »Nicht in den Katanga-Canyon!« Panchos Stimme klang beinahe flehentlich.
    Auswärtige Firmen hatten einstmals Unsummen an der Ausbeutung der in der riesigen Felsspalte verborgenen Bodenschätze verdient, und Tausende billige Arbeitskräfte hatten sich mit ausbeuten lassen und unter den miesen Arbeitsbedingungen und dem rigorosen Vorgehen gegen jegliche auch nur ansatzweise gewerkschaftliche Organisation ihr Leben gelassen.
    Und heutzutage lauerte mehr denn je der Tod in jeder Höhle, jedem Minenschacht, spähte durch all die leeren Fensteröffnungen, wartete hinter jedem Felsvorsprung, jeder zerfallenden Mauer, folgte einem wie ein Schatten und heulte mit dem Wind zusammen durch die steinernen, eisernen und hölzernen Zeugen des Sterbens so vieler Männer, damals wie heute.
    Und was das Furchtbarste war: Nicht alle diese toten Seelen, munkelte man, hatten den Weg hinausgefunden aus der unheimlichen Schlucht. Pancho bibberte wie ein Nackter in eisigem Wind.
    »Und?«, fragte der Fremde, vielleicht ein kleines bisschen herausfordernd, und drückte Pancho die Flasche in die zitternden Hände. »Was soll uns da schon erwarten?«
    »Mexikanische Raubmörderhorden«, raunte Shits.
    »Indianische Skalpjägermeuten«, flüsterte Bro Ho.
    »Und ... und ... und ... Zombies«, keuchte Pancho und setzte die Flasche zu einem gurgelnden Schluck an.
    Das kann nicht sein, dachte er und keuchte, dass ich an ein und demselben Tag lerne, meine größte Angst zu überwinden, und mich gleich im Anschluss meiner zweitgrößten stellen muss. Das kann nicht sein, dachte er wieder,

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