Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanted

Wanted

Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
gesagt, hoch ist sie nicht. Wenn du Höhe willst, Fremder, dann musst du dir mal unser Viadukt über die Fitzroy-Spalte anschauen. Hängt an Ketten, das Ganze. Vierhundert Fuß, das ist nichts für Schwindelige. Die Schlitzaugen haben sich bald beschissen vor Angst. Wir mussten das Ding mit Indianern bauen. Schon mal mit Rothäuten gearbeitet? Wahnsinn. Sterben wie die Fliegen.«
    »Oder zwei Meilen später die Einbogen-Stahlskelett-Konstruktion über das Südende des Katanga-Canyons«, führte Schnauzer an. »Immerhin noch zweihundertfünfzig Fuß. Wie viele Iren sind uns beim Bau da runtergefallen? Weiß das noch einer?«
    »Augenblick mal«, unterbrach ich.
    »Dreiundzwanzig, wenn wir den Polen mal großzügig mitrechnen«, ignorierte Ziegenbart meine Unterbrechung.
    »Nein, was ich fragen wollte«, begann ich.
    »Nerven, Nerven musst du haben, wenn du 'ne verdammte Eisenbahn bauen willst«, sinnierte der Schnauzerträger und hielt mir sein Glas hin.
    »Nerven, sag ich immer, Nerven und Dyna ...«
    Die Dunkelheit wich einem plötzlichen Gleißen. Die Fenstervorhänge hinter mir flatterten nur so, als ich einatmete, lang, kehlig und tief. Eine nach der andern kehrten die sinnlichen Wahrnehmungen zurück. Angeführt vom Gehör.
    »Kumma, wie nett unser OB dem armen Kristof Kryszinski die Kissen am aufschütteln is«, kam es heiser und ziemlich überraschend vom Fenster her. Von vor dem Fenster, wie es sich anhörte. Von draußen. »Hasse alles drauf?« Ein tiefes, zustimmendes Brummen antwortete.
    »Was, was was«, stammelte Theissen, zwinkerte in das grelle Licht und betrachtete das Kissen in seinen Händen, als könne er sich nicht recht erklären, wie es dahin gekommen war.
    »Na, Oberbürgermeisterchen, erinnernse sich noch an mich?«, tönte es - unzweifelhaft jetzt - von draußen, gefolgt von einem Ächzen und den anderen Geräuschen, die jemand macht, der von einer Leiter aus in ein offenes Fenster klettert.
    »Thomcyk, der Name, Thomas Thomcyk. War mal 'ne Zeit lang Reporter bei der Bolteroper Allgemeinen. Bis Ihnen und Ihren Kumpels meine Artikels über Bolterop nich mehr allgemein genuch gefasst waren. Wissense noch? Stankowski hat meinen Informanten erpresst, der hat mir'n Haufen Scheiße erzählt, ich hab da 'nen Riesen-Artikel draus gemacht und Sie ham mir dann höchstpersönlich dat Messer im Kreuz gejacht. Schlau gemacht, war echt 'n paar Jährkes ganz unten, bis datt ich mich davon wieder erholt hab. Heut binnich Frielänzer bein Färnsehn. Und da werden mir doch glatt letzter Tage ein paar Katongs voll von Akten präsentiert, und wie ich die durchgeh, die Akten, da tauchen die ganzen alten Namen widder auf. Und Zahlen, Theissen, Zahlen, da wernse schwindelich, echt. So, dann darf ich noch eben den Kollegen vorstellen, der hier im Fenster leuchtet: Datt is Fridolin Frohwein, mein Kameramann.«
    »Seien Sie herzlich gegrüßt, Herr Oberbürgermeister«, flötete eine außerordentlich gekünstelt wirkende Stimme, die nicht recht zu dem gerade noch gehörten, zustimmenden Brummen passen wollte.
    »Sie, Sie haben kein Recht .«, begann der OB und warf das Kissen von sich, wie man einen Blutegel von sich schleudern würde.
    »Datt könnwer später noch verhackstücken, obwer hier 'n Recht haben oder nich. Tatsache is, wattwer ärsma ham, is 'ne schöne Fuhtitsch, und wennse mir 'n Momentchen geben .« Ächzen, Scharren, Rumpeln folgte, ». den Kollegen hier reinzuhieven, dann könnwer Ihnen die auch vorfürn. Wa, Fridolin? Komm, zeich ihm ma!«
    Allmählich rückten die beiden ins Bild. Thomcyk war eine elegante Erscheinung mit tadellos frisiertem Kopf, teurer, sehr intellektuell wirkender Hornbrille, modischem Hemd und seidenem Binder im Vorderausschnitt seines makellosen blauen Jacketts. Abwärts davon ging die Eleganz der Erscheinung allerdings in die Binsen, wie man so sagt. Nackte, stoppelige Beine ragten aus einem Paar der vielleicht fransigsten und schmuddeligsten Anglershorts, die ich je gesehen hatte, und endeten barfüßig in völlig ausgelatschten Ledersandalen.
    Fridolin steckte dagegen in einem praktischen, wenn auch lilafarbenen Overall, der wie maßgeschneidert saß. Im gleichen Sinne, in dem, sagen wir mal, ein Kartoffelsack wie maßgeschneidert um seine Feldfrüchte sitzt.
    »So, dann kommen Sie doch mal an meine grüne Seite, Oberbürgermeisterchen«, flötete er, und zahlreiche Armreifen klimperten, als er sich mit der stark beringten Hand durch seine, ich möchte mal sagen,

Weitere Kostenlose Bücher