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Wanted

Wanted

Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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jedes einzelne Wort mithört? Haben Sie den etwa auch in der Tasche?«
    OB Theissen blickte zufrieden wie eine satte Katze, und ich konnte körperlich spüren, wie mich eine Woge von Entrüstung und Ekel mitriss.
    »Und selbst wenn«, spie ich, obwohl ich mir Menden nicht mit offener Hand vorstellen konnte, nie im Leben, »und selbst wenn«, wiederholte ich, zitternd vor Abscheu und plötzlicher Angst, »selbst dann kriegen Sie mich nicht weich. Sie haben sich den falschen Gegner gesucht, Theissen. Denn ich werde nicht ruhen, bevor Sie und Ihr >Kreis aus Eisen< aufgeflogen und Sie aus sämtlichen Ämtern entfernt worden sind und sich vor Gericht für die ganze Scheiße, die Sie angerichtet haben, verantworten müssen!«
    »O doch«, meinte OB Theissen grimmig und griff sich ein Kissen, beugte sich vor, auf mein Gesicht zu, und mit einem Schlag und urplötzlichem Grauen wurde mir dreierlei klar, dreierlei auf einmal: dass Theissens >O doch< sich auf den >... ich werde nicht ruhen .<-Teil meiner Rede bezog, dass man Hauptkommissar Menden, während ich noch von Karen träumte, unbemerkt aus dem Zimmer geschafft hatte und wir somit, Theissen und ich, allein waren. Und drittens, dass ich mich gerade um Kopf und Kragen geredet hatte.
    Theissen schwitzte, er zitterte, seine Augen spiegelten Hass und Panik und einen gewissen Rest an Unglauben über das, was er im Begriff war zu tun, doch seine Miene war die kalter Entschlossenheit.
    Alles ging jetzt rasend schnell, doch ich fand noch Zeit für eine Betrachtung voll tiefer Traurigkeit. Nur diese eine Nacht hätte ich noch überstehen müssen, bevor, schon am Morgen, Karen .
    »Fahr zur Hölle, Kryszinski«, zischte Theissen, das Kissen füllte meine Sicht, ich strampelte in zittriger, angeketteter Hilflosigkeit, wollte noch schreien, doch da, mit einem weichen, leisen Ffumpf, wurde es still um mich herum. Und dunkel.
    »Jungs«, sagte ich und schnappte mir eine volle Flasche und ein paar Gläser, »euch schickt der Himmel.«
    »Nein, nein«, wiederholte der Glattrasierte, »im Gegenteil, das war Mandoney .«
    Ich suchte uns einen Tisch mit vier Stühlen, und die Herren Ingenieure saßen schon, noch bevor ich mit dem Einschenken fertig war.
    Draußen begannen die ersten Vögel zu piepen und Tom-Tom hatte sich schon wieder zu seinem Schönheitsschlaf verabschiedet. Nachdem er mir noch einen kurzen Vortrag gehalten hatte.
    Ich hob mein Glas, die Ingenieure folgten meinem Beispiel und wir alle flößten uns die Getränke ein. Keuchten.
    »Hört mal«, begann ich rundheraus, »ihr habt doch diese Eisenbahnlinie gebaut, oder?« Dreifaches Nicken, dafür gab es noch eine Runde. »Und irgendwo musstet ihr doch sicherlich eine Brücke schlagen, oder?«
    Es war, wie wenn man den nervösesten Partygast das Fass anschlagen lässt. Es zischt, es spritzt, es sprüht in alle Richtungen, und man ist erst mal gut beraten, sich auf Distanz zu halten und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    »Eine?«, fragte der mit dem Schnauzer sofort zurück. »Eine? Ha! Fast ein halbes Dutzend!«
    »Fünf, um genau zu sein«, präzisierte der mit dem Ziegenbart. »Fünf Stück, von den Tunneln ganz zu schweigen.«
    »Allein die über die St.-Andreas-Senke hat mehr als ein halbes Dutzend Bögen«, meinte der Glattrasierte.
    »Exakt sieben Stück«, bestätigte Ziegenbart.
    »Alle gleich, alle vorfabriziert.«
    »Dafür ist sie allerdings nicht besonders hoch«, relativierte der Schnauzer.
    »Stimmt, keine zehn Fuß«, bestätigte der Dritte, der ohne Bartwuchs.
    »Neundreiviertel am tiefsten Punkt der Senke«, erläuterte Ziegenbart, und ich begann mich zu fragen, wie lange das jetzt so weitergehen würde.
    »Sechseinhalb am südlichen und nur dreieindrittel Fuß am nördlichen Kopf.«
    »Aber lang, das ist sie«, fuhr der mit ohne Bart fort. »Ziemlich genau 'ne halbe Meile.«
    »Kann man nie so hundertprozentig sagen, bei Eisenkonstruktionen«, erklärte Ziegenbart.
    »Hängt vom Wetter ab. Von den Temperaturen eigentlich. Mittags und im Sommer sind sie länger und in Winternächten schrumpeln sie regelrecht zusammen.«
    »War die Hölle, die Fundamente in den sandigen Untergrund zu graben«, erinnerte sich Schnauzer mit der allen Schreibtischtätern eigenen Wichtigtuerei. Als ob sie bei den gesamten Bauarbeiten auch nur einen einzigen Handschlag selbst erledigt hätten. »Immer wieder sind uns die Abstützungen eingeknickt, bis wir selbst die Chinesen kaum noch da runtergekriegt haben. Die Hölle. Aber, wie

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