War against people
Währungssystems verweist Barry
Eichengreen auf einen entscheidenden Unterschied zwischen der gegenwärtigen
»Globalisierungs«-Phase und der ihr in mancher Beziehung ähnlichen Ära vor dem Ersten
Weltkrieg. 20 Damals unterlag die Regierungspolitik noch nicht »der Beeinflussung durch das
allgemeine Wahlrecht für Männer und den Aufstieg der Gewerkschaften und im Parlament
vertretener Arbeiterparteien«. Mithin konnten die erheblichen Kosten, die eine vom
»virtuellen Senat« auferlegte korrekte Finanzpolitik verursachte, auf die Gesamtbevölkerung
umgelegt werden. Mit diesem Luxus war es in der Ära von Bretton Woods vorbei, weil man
nun, »um sich gegen den Druck des Markts abzuschütten, nicht der Demokratie, sondern der
Mobilität des Kapitals Grenzen setzte«. Insofern ist es ganz natürlich, daß die Auflösung der
Wirtschaftsordnung von Bretton Woods, vor allem in Großbritannien und den USA, mit einem
heftigen Angriff auf demokratische Strukturen und die Grundsätze der
Menschenrechtserklärung einherging.
Über diese Themen ließe sich noch weit mehr sagen; aber im Hinblick auf den Aspekt der
Menschenrechte scheinen die Tatsachen eindeutig zu sein und mit den Erwartungen der
Begründer des Systems von Bretton Woods übereinzustimmen.
Politische Ordnung und Menschenrechte
Der dritte Pfeiler der nach dem Krieg errichteten Weltordnung ist die UN-Charta. Ihr
Grundsatz lautet (gemäß Artikel 51), daß die Androhung oder Anwendung von Gewalt ver-
boten ist, bis auf zwei Ausnahmen: wenn sie durch den Sicherheitsrat ausdrücklich genehmigt
wird, oder als Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff, bis der Sicherheitsrat
eine Entscheidung trifft. Zwingend in die Tat umsetzen kann der Sicherheitsrat seine
Entscheidungen jedoch nur über die Großmächte, allen voran die USA. Aber Washington
lehnt, wie bereits erörtert, die Grundsätze der Charta in Theorie und Praxis entschieden ab.
Die Weltordnung hat schon lange kein stabilisierendes Gerüst mehr, und selbst die damit
verbundene Rhetorik ist hinfällig geworden. Der einzige anerkannte Grundsatz ist die
Herrschaft von Gewalt. Die Feinsinnigen wissen, daß der Appell an rechtliche
Verpflichtungen und moralische Prinzipien ein legitimes Mittel im Kampf gegen auserwählte
Feinde ist; wir können, wie Dean Acheson es ausdrückte, »unsere Position mit einem Ethos
vergolden, das aus höchst allgemeinen ... Moralprinzipien abgeleitet ist«. Mehr aber auch
nicht. Diese Haltung findet in den Kreisen der Gebildeten sehr viel mehr Unterstützung, als
man denken sollte. Was das für die Menschenrechte bedeutet, liegt auf der Hand.
Folglich sind, kurz gesagt, von den drei Pfeilern der globalen Nachkriegsordnung zwei -
Bretton Woods und die Charta - in den Staub gesunken, während der dritte, die
Menschenrechtserklärung, zum großen Teil »ein Brief an den Weihnachtsmann« geblieben
ist, wie die Anführer des relativistischen Kreuzzugs behaupten.
Rechte für wen?
Bekanntlich bestand ein wesentlicher Fortschritt der Menschenrechtserklärung darin, daß
die Rechte nun für alle Personen gelten sollten, das heißt, für Personen aus Fleisch und Blut.
Die wirkliche Welt ist ganz anders. In den USA wird der Ausdruck »Person« offiziell so
definiert, daß er auch juristische Personen umfaßt - »Einzelpersonen, Geschäftszweige,
Handelspartner, Handelsgesellschaften, Gütergemeinschaften, Trusts, Konzerne oder andere
Organisationen (seien diese gemäß den Gesetzen eines Staats organisiert oder nicht), sowie
sämtliche Regierungskörperschaften«.21Dieser Begriff von »Person« hätte Denker wie James
Madison oder Adam Smith, die ihre geistigen Wurzeln in der Aufklärung und im klassischen
Liberalismus besitzen, zutiefst schockiert. Aber er ist der vorherrschende und verleiht der
Menschenrechtserklärung eine Form, die ihren ursprünglichen Intentionen ganz sicher nicht
gerecht wird.
Eine ausufernde Rechtsprechung hat dahin geführt, daß die Rechte von Personen auch auf
»kollektive Rechtssubjekte«, wie manche Rechtshistoriker es nennen, ausgedehnt wurden.
Im engeren Sinne werden darunter Leitungsgremien verstanden. Auf diese Weise haben die
Gerichte für »einen neuen 'Absolutismus'« gesorgt. 22 Diese neu geschaffenen unsterblichen Personen sind durch die Zuschreibung persönlicher Rechte vor Überwachung geschützt und
steuern die einheimischen und internationalen Märkte durch ihre internen
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