War against people
nie dagewesener Prosperität« in den
USA, an dem Europa sich ein Beispiel nehmen sollte, und eine »bemerkenswert erfolgreiche
US-W irtschaft«.15 Die Artikel beziehen sich hauptsächlich auf »die Kapitalgewinne
amerikanischer Gesellschaften« die in der Tat »spektakulär« gewesen sind, wie es voller
Lob während der Clinton-Ära hieß und die enorme Steigerung der Aktienwerte. Dadurch
ist das Vermögen des einen Prozents von Familien, denen fast die Hälfte der Aktien gehört,
ebenso enorm angewachsen wie das der oberen zehn Prozent, die in etwa den Rest besitzen,
und die, zusammengenommen, die Nutznießer von 85 Prozent der Gewinne aus Kapitalanlagen
in der »Märchenwirtschaft« sind. Gute Taten bleiben nicht unbemerkt. Presseberichten zufolge
wurde Präsident Clinton Mitte Januar 1999 bei einer Wall-Street-Konferenz »Martin Luther
King gleichgesetzt und überhaupt allgemein gefeiert«. Bei diesem Anlaß sagte der Präsident
der New Yorker Börse »zu Mr. Clinton, daß Dr. King sicherlich auf das Treffen« zum jährlichen
Gedenktag für Martin Luther King »herablächle« und erkenne, wie sehr Clinton »meiner
kleinen Ecke in Süd-Manhattan« genützt habe.16
Andere kleine Ecken hatten ein weniger günstiges Schicksal.
Der Chef der US-Bundeszentralbank, Alan Greenspan, rechnete die »märchenhafte«
Wirtschaftsentwicklung zum Teil einer »größeren Unsicherheit unter den Arbeitern« zu und
berief sich dabei auf Untersuchungen, denen zufolge sich die Zahl der Arbeiter in
Großindustrien, die eine vorübergehende Arbeitslosigkeit befürchteten, zwischen 1991 und
1996 nahezu verdoppelt habe. Andere Studien sprechen von 90 Prozent, die um ihren
Arbeitsplatz fürchten. In einer statistischen Erhebung aus dem Jahre 1994 sagten 79 Prozent
der befragten Arbeitskräfte, daß der Versuch, sich gewerkschaftlich zu organisieren,
wahrscheinlich zur Kündigung führen werde, während 41 Prozent der nicht-organisierten
Arbeiter glaubten, sie würden mit einem Beitritt zur Gewerkschaft ihren Job riskieren. Der
Rückgang gewerkschaftlicher Organisierung gilt Arbeitsökonomen allgemein als wichtiger
Faktor für stagnierende oder fallende Löhne und die Verschlechterung der
Arbeitsbedingungen. 17
Zwar sprechen Umfragen von »guter Stimmung bei den Konsumenten«, die jedoch durch
die Beobachtung, daß »die Erwartungen geringer geworden sind«, abgeschwächt wird. Der
Direktor des Statistischen Forschungszentrums der Universität von Michigan sieht es
folgendermaßen: »Es ist ein bißchen so, wie wenn die Leute sagten: 'Ich verdiene nicht genug,
um auf einen grünen Zweig zu kommen, aber es könnte schlimmer sein', während sie in den
sechziger Jahren dachten: 'Kann es eigentlich noch besser werden?'.«18
Vor allem für die »Entwicklungsländer« hat sich die Ära nach Bretton Woods als Katastrophe
erwiesen, der jedoch einige, zumindest zeitweise, entgehen konnten, indem sie, wie der
Chefökonom der Weltbank, Joseph Stiglitz, es formulierte, die »Religion« des freien Markts
verwarfen. Er weist darauf hin, daß das »geschichtlich einmalige ... ostasiatische Wunder«
durch die Nichtbeachtung wesentlicher Marktregeln erreicht wurde, wobei sein
leuchtendster Stern, Südkorea, ziemliche Rückschläge einstecken mußte, nachdem es zu
Beginn der neunziger Jahre der Liberalisierung der Finanzmärkte zugestimmt hatte. Das hat
wesentlich, wie Stiglitz und andere Experten annehmen, zu der gegenwärtigen Krise
beigetragen und war ein Schritt hin zur »Lateinamerikanisierung«. Die lateinamerikanischen
Eliten kennen weit größere Ungleichheit und besitzen »einen schwächer entwickelten
Gemeinsinn als die nationalistischen Eliten Ostasiens«. Zudem sind sie »stärker mit der
ausländischen Hochfinanz verbunden« - Faktoren, die, wie der Weltwirtschaftsexperte David
Felix bemerkt, zu ihrem »europäisch und US-amerikanisch geprägten Lebensstil der
Bevorzugung hochrangiger Konsum- und Kulturgüter« beitragen. »Der durch mobiles Kapital
erzielte Reichtum hat es den Oberschichten Lateinamerikas auch ermöglicht, progressive
Besteuerung zu verhindern und Ausgaben für Grundschulen und weiterführende
Bildungsinstitutionen zu begrenzen, während sie in finanziellen Notlagen großzügige staatliche
Hilfsleistungen erwarten können«, ein seit Jahrhunderten typisches Kennzeichen der Doktrin
des freien Markts. 19
In seiner hoch angesehenen Geschichte des internationalen
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