War against people
Was der Pilger aus
Spanien beschrieb, war zweifellos richtig, aber zugleich auch ungewöhnlich. Typischer sind
die Feldzüge der Kreuzritter und der Mongolen.
Die möglicherweise schlimmsten Grausamkeiten zumindest der schriftlich überlieferten
Fälle finden sich im Alten Testament. Ich glaube, daß es in der gesamten Literatur nichts
gibt, was den Völkermord mit so viel Eifer, Entschiedenheit und Enthusiasmus preist, wie
die Befehle, die der kriegerische Gott seinem auserwählten Volk erteilt. Ein Beispiel ist der
Krieg des Königs Saul gegen die Amalekiter. Saul hatte den göttlichen Befehl dazu aus dem
Munde des Propheten Samuel erfahren, des gerechtesten aller Richter. Saul, so hieß es, solle
Amalek angreifen und »Mann und Frau, Kind und Säugling, Rind und Schaf, Kamel und Esel«
töten. Der Grund dafür war, daß einige Jahrhunderte zuvor die Amalekiter sich den Juden
beim Auszug aus Ägypten in den Weg gestellt hatten. Saul verschonte bei seinem Feldzug
Agag, den König der Amalekiter, und ließ auch einiges Vieh am Leben. Als Samuel dies
entdeckte, entflammte er im Zorn und »hieb Agag in Stücke vor dem Herrn in Gilgal«. 1
Die fränkischen Krieger nahmen sich, wie wir aus den Chroniken der damaligen Zeit wissen,
diese Lektionen zu Herzen. Gleiches taten die überaus frommen Engländer, die Nordamerika
eroberten. Sie verstanden sich als Erben der Israeliten und machten, als sie ihr Heiliges Land
gefunden hatten, kurzen Prozeß »mit jener unglücklichen Rasse der eingeborenen Amerikaner,
die wir so grausam und gnadenlos ausrotten«. So beschrieb es John Quincy Adams im
vorgerückten Alter, als seine eigenen, keineswegs unbedeutenden Beiträge zu diesem Feldzug
längst Vergangenheit waren und die Ausrottungsaktionen sich nach Westen verlagert hatten.
Erst vor einiger Zeit ist die Erbsünde unserer Geschichte ins Licht der Öffentlichkeit gerückt.
Das ist eine der vielen positiven Folgen des Aufbruchs der sechziger Jahre, der einen
bedeutenden und, wie ich hoffe, langwährenden Einfluß auf das moralische und kulturelle
Niveau dieser Gesellschaft gehabt hat.
Europäische Eroberungen
Die europäische Geschichte samt den weltweiten Eroberungszügen ist von besonderer
Grausamkeit. Diese Eroberungen waren, wie führende Militärhistoriker betonen, aus
europäischer Sicht zumeist eher kleine Kriege im Vergleich zu denen, die die europäischen
Staaten miteinander ausfochten. Nehmen wir als Beispiel die amerikanische Revolution.
Für die Briten war sie eine Art Nebenschauplatz. Zur selben Zeit führten sie in Indien den
Marathi-Krieg, der ein vergleichbares Ausmaß hatte. Die amerikanische Revolution war selbst
ein peripherer Bestandteil der globalen Kriege, die zwischen den europäischen Großmächten
ausgetragen wurden. Ihr Erfolg beruhte zum großen Teil darauf, daß gerade zu dieser Zeit
Großbritannien nicht nur in Indien Krieg führte, sondern auch gegen Frankreich, Spanien und
andere europäische Mächte, und daher den Ereignissen hierzulande nicht allzuviel
Aufmerksamkeit widmen konnte. Hier, in Amerika, kämpften in erster Linie Frankreich und
England schon seit längerem um die Vorherrschaft, und die eingewanderte Bevölkerung
unterstützte, je nach Zugehörigkeitsgefühl, die eine oder die andere Seite: Die »Loyalisten«
oder Königstreuen hielten zu den Briten, die »Patrioten« wurden von den Franzosen unterstützt,
und die Kämpfe selbst wurden, mit lokaler Beteiligung, von den Franzosen und Briten
ausgefochten. Das ist, so meine ich, eine genauere Beschreibung des Revolutionskriegs.
In Bengalen wiederum kam es 1757 zur Entscheidungsschlacht, bei der die Truppen von
Robert Clive dem Gegner im Verhältnis von eins zu zehn unterlegen waren. Aber er siegte
und verschaffte damit der Ostindischen Handelsgesellschaft die Möglichkeit, Bengalen zu
übernehmen. Das war der Ausgangspunkt für die Eroberung von ganz Indien. Bengalen war
die reichste Region, so reich, daß die britischen Kaufleute - Abenteurer und Eroberer
zutiefst erstaunt waren. Indien war im 18. Jahrhundert das bedeutendste Handels- und
Produktionszentrum der Welt. Es produzierte, um nur ein Beispiel zu nennen, mehr Eisen als
alle europäischen Länder zusammengenommen.
Es ist schon merkwürdig, daß diese über Jahrhunderte hinweg so reichen und produktiven
Gebiete, wie etwa Bangladesch und Kalkutta, zu Symbolen der Furcht und Hoffnungslosigkeit
geworden sind. Das ist ein
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