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War against people

War against people

Titel: War against people Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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»in Tokio innerhalb von sechs Stunden wahrscheinlich mehr Menschen
    durch Feuer umgekommen sind als zu irgendeiner anderen Zeit in der
    Menschheitsgeschichte«. An den 50. Jahrestag dieses grausamen Vorgangs erinnerte die in
    Hongkong erscheinende Far Rastern Economic Review - die führende (und höchst
    konservative) Wirtschaftszeitung Asiens — mit einem ausführlichen Bericht, während in
    den Vereinigten Staaten das Datum nahezu unbeachtet blieb. Den Tenor der wenigen
    Reaktionen faßte ein Kommentar zusammen, den die Washington Post mit folgenden Worten
    zitierte: »Wenn das zum Sieg beigetragen hat, dann war es richtig.«
    Im übrigen wurde Japan mit einer Flut scharfer Verurteilungen überschüttet, weil es versäumt
    habe, seine eigene Schuld in angemessener Weise einzugestehen, hatte es doch einen
    Militärstützpunkt in einer amerikanischen Kolonie bombardiert, die ihren Einwohnern ein
    halbes Jahrhundert zuvor mit List und Gewalt entwendet worden war. Die Bombardierung
    von Pearl Harbor war ein Verbrechen, doch läßt sich kaum behaupten, daß es im Vergleich
    zu anderen Untaten ein besonders schwerwiegendes gewesen sei. In seiner offiziellen
    Entschuldigung hatte Japan »aufrichtiges Bedauern für unsere Vergangenheit« geäußert, wozu
    auch »Aggression und Kolonialherrschaft gehören, die [in China und anderen asiatischen
    Ländern] unerträgliches Leid verursacht haben«. Diese Erklärung wurde in den USA mit bitteren
    Worten angeprangert, und einige Artikel sprachen sogar von seltsamen Charakterfehlern der
    Japaner, die es ihnen unmöglich machten, Schuld einzugestehen. Der wirkliche Grund lag
    darin, daß in der Entschuldigung auch von Verbrechen anderer imperialistischer Mächte die
    Rede war, womit implizit angedeutet wurde, daß die Niederlande, Großbritannien, Frankreich
    und die Vereinigten Staaten ebenfalls keine blütenweiße Weste hätten. Das ging natürlich zu
    weit, und man kam zu dem Schluß, daß die Japaner sich wieder einmal einem
    Schuldeingeständnis entziehen wollten. Die Asiaten sahen die Sache zwar etwas anders und
    hatten die Japaner zunächst sogar begrüßt, aber das zeigt nur, was für »fehlgeleitete Kreaturen«
    sie sind.
    In Europa entsprach die Bombardierung von Dresden in etwa der von Tokio und fand ungefähr
    zur gleichen Zeit statt. Britische und US-amerikanische Luftangriffe zerstörten die Stadt mit
    ihren vielen Kulturschätzen und töteten Zehntausende von Menschen. In Großbritannien
    gab der 50. Jahrestag der Zerstörung von Dresden Anlaß zu einiger Gewissensprüfung, während
    ich hierzulande nichts dergleichen finden konnte. Allerdings waren britische Städte damals
    schweren Angriffen ausgesetzt, was die Vereinigten Staaten seit dem Krieg von 1812 nicht
    mehr erlebt hatten. Die Briten hatten mit dem Erbe des Kriegs direkte Erfahrungen gemacht,
    während die USA nach 1812 im eigenen Land nur noch ihren mörderischen Bürgerkrieg geführt
    hatten. Eine allzu lange Liste siegreicher Eroberungen ist meiner Meinung nach nicht gut für
    den Charakter, und ich glaube, die Geschichte kann dieses Urteil bestätigen. So war Hitler,
    um ein neueres Beispiel zu nehmen, vor Stalingrad wahrscheinlich der beliebteste Politiker
    der deutschen Geschichte gewesen.
    Auch nach dem Zweiten Weltkrieg war die Zivilbevölkerung das Hauptangriffsziel von
    Kriegen, aber nun achtete man sorgsam darauf, daß sie wehrlos war und nicht zurückschlagen
    konnte. Das schlimmste Beispiel ist der Krieg in Indochina. Erinnern wir uns an die
    grundlegenden Tatsachen: Frankreich wollte, mit US-amerikanischer Hilfe — de facto mit
    den Leistungen des Marshallplans — seine ehemalige Kolonie Südvietnam zurückerobern.
    Dabei kam etwa eine halbe Million Vietnamesen ums Leben. 1954 zog sich Frankreich zurück,
    und es kam zu einer diplomatischen Vereinbarung, die zunächst die Bildung einer
    entmilitarisierten Zone und dann die mit freien Wahlen verbundene Wiedervereinigung des
    Landes innerhalb von zwei Jahren vorsah. Wir wissen, wie die USA darauf reagierten; die
    entsprechenden Dokumente sind freigegeben worden, nachdem sie zuvor schon von Daniel
    Ellsberg in den »Pentagon Papers« veröffentlicht worden waren. Die USA waren strikt gegen
    die Genfer Vereinbarungen. In einem internen Bericht des Nationalen Sicherheitsrats wurden
    sie als »Katastrophe« bezeichnet, und die Vereinigten Staaten entschieden sich nur wenige
    Tage später insgeheim dafür, die Umsetzung der Vereinbarungen zu

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