War against people
von 1045 erklärt, es solle »keine Angriffe auf Kleriker, Mönche,
Nonnen, Frauen, Pilger, Kaufleute, Bauern, Konzilteilnehmer, Kirchgebäude und ihre
Umgebung, Friedhöfe, Klöster, den Landbesitz des Klerus, Schäfer und ihre Herden, Nutzvieh,
Erntewagen und Olivenbäume geben«.
Dieses auf dem Konzil von Narbonne erlassene Edikt wurde, wie man aus arabischen Quellen
über die »fränkischen Invasionen« die Kreuzzüge erfahren kann, außerhalb des
Herrschaftsbereichs der Kirche weit weniger beachtet. Als im Jahr 1099 Jerusalem erobert
wurde, berichteten Flüchtlinge, die nach Bagdad entkommen waren, daß die Invasoren auf
ihrem Weg zur Heiligen Stadt eine Spur der Verwüstung hinterlassen hatten: geplünderte
und zerstörte Ortschaften, ermordete Bauern und Stadtbewohner. Als sie Jerusalem erreichten,
heißt es bei zeitgenössischen Chronisten, »zogen die hellhaarigen und schwer bewaffneten
Krieger mit dem Schwert in der Hand durch die Straßen, schlachteten Männer, Frauen und
Kinder ab, plünderten die Häuser und Moscheen und ließen innerhalb der Stadtmauern keinen
Moslem am Leben«. Das Massaker dauerte mehrere Tage, danach lagen Tausende tot auf den
Türschwellen ihrer Häuser oder bei den Moscheen. Die jüdische Gemeinde in Jerusalem
ereilte das gleiche Schicksal. Sie zog sich in die Hauptsynagoge zurück, die von den
Kreuzrittern niedergebrannt wurde. Wer zu fliehen versuchte, wurde gejagt und getötet, die
anderen verbrannten bei lebendigem Leibe. Endlich war alles vorbei, und die Ritter zogen,
»Freudentränen weinend« zum Heiligen Grab, wo sie »ihre blutbefleckten Hände zum Gebet
falteten« (das letztere ist ein Zitat aus einem modernen westlichen Geschichtswerk). Die
fränkischen Chronisten sprachen ganz offen über die brutale Vorgehensweise der Ritter, die
»erwachsene Heiden in großen Töpfen kochten« und »Hühnchen auf Spieße steckten, um sie
geröstet zu verzehren«. Ein Geschichtsschreiber vermerkt mit Entrüstung: »Unsere Truppen
schreckten nicht davor zurück, tote Türken und Sarazenen, ja, sogar Hunde zu essen.« Das
ging dann doch zu weit.
Später bediente sich Richard Löwenherz ähnlicher Praktiken. Gefangene, die dem Heer zur
Last fielen - Soldaten mitsamt ihren Familien -, wurden zusammengebunden und den
Kreuzrittern ausgeliefert, die »mit Säbeln, Lanzen und Steinen grausam über sie herfielen, bis
ihre Schreie erstickt waren«, berichtet ein arabischer Chronist. Mord- und Zerstörungslust
erreichten ihren Höhepunkt mit der Einnahme von Konstantinopel im Jahre 1204, bei der
viele Überbleibsel der griechischen und byzantinischen Kultur untergingen. Häuser und
Kirchen wurden geplündert und niedergerissen, Priester, Mönche, Zivilisten massenweise
getötet. Bald darauf zogen die Mongolen unter Dschingis Khan durch diese Gegend und
richteten ähnliche Verwüstungen an.
Christlicherseits gehörten Mord und Totschlag zur »Heiligung des Kriegs«, zu dem, was
moderne Geschichtswissenschaftler die »kirchliche Reformierung des kämpfenden Laien«
nennen. Es war der Versuch, den Grausamkeiten und Brutalitäten des ritterlichen Zeitalters
eine spirituelle Dimension zu verleihen. Ein moderner britischer Historiker schreibt dazu:
»Der Ritter, der sich den Kreuzzügen anschloß, konnte das erlangen, wonach der spirituelle
Teil seines Wesens sich sehnte - vollkommene Erlösung und die Vergebung der Sünden. Er
konnte den ganzen Tag lang Menschen abschlachten, bis er im Blut watete und dann am Abend,
Freudentränen weinend [genauer, wie die Ritter selbst es ausdrückten: »schluchzend vor
übermäßiger Freude«], am Altar der Grabeskirche knien, denn war er nicht blutrot von der
Kelter des Herrn?«
»Man kann die Popularität der Kreuzzüge verstehen«, fährt der Historiker fort - es ist nicht
der erste und sicherlich nicht der letzte Versuch, einem schrecklichen und schandbaren
Unternehmen den Mantel des Edelmuts umzuhängen.
An all dies sollten wir denken, wenn wir heute in beeindruckender Rhetorik vom
bevorstehenden Zusammenstoß der Zivilisationen, dem Paradigma für das neue Zeitalter, das
am Horizont sichtbar wird, hören und was ich erwähnt habe, ist nur die Spitze des Eisbergs.
Kehren wir zum Edikt des Konzils von Narbonne zurück. Die dort aufgeführte Liste von
Ausnahmen keine Angriffe auf Kleriker, Zivilisten usw. - zeigt, wo die eigentlichen
Angriffsziele des Kriegs lagen und wohl immer schon gelegen hatten.
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