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War against people

War against people

Titel: War against people Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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von 1045 erklärt, es solle »keine Angriffe auf Kleriker, Mönche,
    Nonnen, Frauen, Pilger, Kaufleute, Bauern, Konzilteilnehmer, Kirchgebäude und ihre
    Umgebung, Friedhöfe, Klöster, den Landbesitz des Klerus, Schäfer und ihre Herden, Nutzvieh,
    Erntewagen und Olivenbäume geben«.
    Dieses auf dem Konzil von Narbonne erlassene Edikt wurde, wie man aus arabischen Quellen
    über die »fränkischen Invasionen« — die Kreuzzüge — erfahren kann, außerhalb des
    Herrschaftsbereichs der Kirche weit weniger beachtet. Als im Jahr 1099 Jerusalem erobert
    wurde, berichteten Flüchtlinge, die nach Bagdad entkommen waren, daß die Invasoren auf
    ihrem Weg zur Heiligen Stadt eine Spur der Verwüstung hinterlassen hatten: geplünderte
    und zerstörte Ortschaften, ermordete Bauern und Stadtbewohner. Als sie Jerusalem erreichten,
    heißt es bei zeitgenössischen Chronisten, »zogen die hellhaarigen und schwer bewaffneten
    Krieger mit dem Schwert in der Hand durch die Straßen, schlachteten Männer, Frauen und
    Kinder ab, plünderten die Häuser und Moscheen und ließen innerhalb der Stadtmauern keinen
    Moslem am Leben«. Das Massaker dauerte mehrere Tage, danach lagen Tausende tot auf den
    Türschwellen ihrer Häuser oder bei den Moscheen. Die jüdische Gemeinde in Jerusalem
    ereilte das gleiche Schicksal. Sie zog sich in die Hauptsynagoge zurück, die von den
    Kreuzrittern niedergebrannt wurde. Wer zu fliehen versuchte, wurde gejagt und getötet, die
    anderen verbrannten bei lebendigem Leibe. Endlich war alles vorbei, und die Ritter zogen,
    »Freudentränen weinend« zum Heiligen Grab, wo sie »ihre blutbefleckten Hände zum Gebet
    falteten« (das letztere ist ein Zitat aus einem modernen westlichen Geschichtswerk). Die
    fränkischen Chronisten sprachen ganz offen über die brutale Vorgehensweise der Ritter, die
    »erwachsene Heiden in großen Töpfen kochten« und »Hühnchen auf Spieße steckten, um sie
    geröstet zu verzehren«. Ein Geschichtsschreiber vermerkt mit Entrüstung: »Unsere Truppen
    schreckten nicht davor zurück, tote Türken und Sarazenen, ja, sogar Hunde zu essen.« Das
    ging dann doch zu weit.
    Später bediente sich Richard Löwenherz ähnlicher Praktiken. Gefangene, die dem Heer zur
    Last fielen - Soldaten mitsamt ihren Familien -, wurden zusammengebunden und den
    Kreuzrittern ausgeliefert, die »mit Säbeln, Lanzen und Steinen grausam über sie herfielen, bis
    ihre Schreie erstickt waren«, berichtet ein arabischer Chronist. Mord- und Zerstörungslust
    erreichten ihren Höhepunkt mit der Einnahme von Konstantinopel im Jahre 1204, bei der
    viele Überbleibsel der griechischen und byzantinischen Kultur untergingen. Häuser und
    Kirchen wurden geplündert und niedergerissen, Priester, Mönche, Zivilisten massenweise
    getötet. Bald darauf zogen die Mongolen unter Dschingis Khan durch diese Gegend und
    richteten ähnliche Verwüstungen an.
    Christlicherseits gehörten Mord und Totschlag zur »Heiligung des Kriegs«, zu dem, was
    moderne Geschichtswissenschaftler die »kirchliche Reformierung des kämpfenden Laien«
    nennen. Es war der Versuch, den Grausamkeiten und Brutalitäten des ritterlichen Zeitalters
    eine spirituelle Dimension zu verleihen. Ein moderner britischer Historiker schreibt dazu:
    »Der Ritter, der sich den Kreuzzügen anschloß, konnte das erlangen, wonach der spirituelle
    Teil seines Wesens sich sehnte - vollkommene Erlösung und die Vergebung der Sünden. Er
    konnte den ganzen Tag lang Menschen abschlachten, bis er im Blut watete und dann am Abend,
    Freudentränen weinend [genauer, wie die Ritter selbst es ausdrückten: »schluchzend vor
    übermäßiger Freude«], am Altar der Grabeskirche knien, denn war er nicht blutrot von der
    Kelter des Herrn?«
    »Man kann die Popularität der Kreuzzüge verstehen«, fährt der Historiker fort - es ist nicht
    der erste und sicherlich nicht der letzte Versuch, einem schrecklichen und schandbaren
    Unternehmen den Mantel des Edelmuts umzuhängen.
    An all dies sollten wir denken, wenn wir heute in beeindruckender Rhetorik vom
    bevorstehenden Zusammenstoß der Zivilisationen, dem Paradigma für das neue Zeitalter, das
    am Horizont sichtbar wird, hören — und was ich erwähnt habe, ist nur die Spitze des Eisbergs.
    Kehren wir zum Edikt des Konzils von Narbonne zurück. Die dort aufgeführte Liste von
    Ausnahmen — keine Angriffe auf Kleriker, Zivilisten usw. - zeigt, wo die eigentlichen
    Angriffsziele des Kriegs lagen und wohl immer schon gelegen hatten.

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