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War against people

War against people

Titel: War against people Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noam Chomsky
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typischer Charakterzug der europäischen Eroberungen, der viel
    über die Hinterlassenschaft solcher, aus der Perspektive der Eroberer, kleinen Kriege aussagt.
    Haiti liefert ein weiteres Beispiel. Es war die vielleicht reichste Kolonie der Welt und die
    Quelle für einen Großteil des französischen Reichtums. Heute ist nicht mehr ausgeschlossen,
    daß es in ein paar Jahrzehnten von der Landkarte verschwinden wird. Ein anderes Beispiel
    ist Ostindien, das heutige Indonesien, das bis zum Zweiten Weltkrieg etwa zwanzig Prozent
    zum Nationaleinkommen der äußerst wohlhabenden Niederlande beisteuerte. Als Fußnote
    dazu sei vermerkt, daß die Marshallplan-Hilfe für Frankreich und die Niederlande, zwei
    imperiale Großmächte, gerade eben die Kosten für die blutigen Bemühungen deckte, ihre
    Kolonien in Südostasien zu behalten.
    Ein Hauptfaktor der europäischen Eroberungszüge war, so meine ich, weniger der Fortschritt
    in der Militärtechnologie, sondern vor allem eine Art Kultur der Grausamkeit — »die alles
    zerstörende Gewalt der europäischen Kriegführung«, die, so der britische Militärhistoriker
    Geoffrey Parker, von den eroberten Bevölkerungen in Ostindien oder der Neuen Welt als
    »abstoßend« empfunden wurde. Eine neuere Publikation über die Geschichte der Ostindischen
    Handelsgesellschaft betont: »In Indien wurde der Krieg [im 18. Jahrhundert] noch als Sport
    betrieben, in Europa dagegen als Wissenschaft.« Zu ähnlichen Schlußfolgerungen gelangte
    Adam Smith, als er die »grausame Ungerechtigkeit der Europäer« verurteilte und dabei vor
    allem an seine Landsleute dachte. Als die englischen Siedler in der Neuen Welt ankamen,
    setzten sie im Krieg gegen die Indianer und bei der Erweiterung des nationalen Territoriums
    die Tradition der extremen Grausamkeit fort. Man denke dabei etwa an Andrew Jacksons
    Eroberung von Spanisch-Florida, ein in vielerlei Hinsicht wichtiges Ereignis und der erste
    Exekutivkrieg der amerikanischen Geschichte.
    Diese Tradition hat die Vorherrschaft errungen. Man muß in der modernen Geschichte schon
    sehr lange suchen, um einen Krieg zu finden, der kein Exekutivkrieg ist und der
    Verfassungsprinzipien wie zum Beispiel einer offiziellen Kriegserklärung durch den Kongreß
    gehorcht. Jacksons unerklärter Krieg richtete sich gegen die so genannten Seminolen —
    »zusammengemengte Horden gesetzloser Indianer und Neger«. Gesetzlose Indianer und
    entlaufene Sklaven - so sahen es die Invasoren. Jacksons Taktik war ein Lehrstück für die
    »heilsame Wirkung« des Terrors, wie Außenminister John Quincy Adams in einem berühmten
    Beitrag urteilte, der die massiven Grausamkeiten des mit Invasion und Aggression
    verbundenen Exekutivkriegs rechtfertigte. Seine Ausführungen wurden von Jefferson und
    führenden Gelehrten des 20. Jahrhunderts sehr bewundert.
    Ich sollte hinzufügen, daß diese Vernichtungskriege im nationalen Bewußtsein weiterleben.
    Vor einiger Zeit veröffentlichte das Wall Street Journal auf seiner Titelseite einen Bericht
    über die längerfristige Veränderung von Eßgewohnheiten in den Vereinigten Staaten. Gleich
    zu Beginn wurde ganz ohne Scheu die »Seminolen-Suppe« erörtert. Die Seminolen sind auch
    das Maskottchen eines universitären Footballteams, das regelmäßig an den nationalen
    Meisterschaften teilnimmt. Wenn die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten, dienten
    Juden und Zigeuner vielleicht als Maskottchen der Münchner Universität. Im allgemeinen
    betrachten Gewinner und Verlierer die Erbschaft des Kriegs aus jeweils ganz verschiedenen
    Perspektiven.
    Die Traditionen der Grausamkeit und Aggression wurden auch nach der Eroberung des
    nationalen Territoriums beibehalten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts befreiten US-
    amerikanische Truppen die Philippinen - das heißt, sie befreiten die Seelen Hunderttausender
    von den Sorgen und Nöten des Lebens. Die Presse war von diesem heroischen und großzügigen
    Unternehmen sehr beeindruckt und beschrieb es mit ziemlicher Genauigkeit. Der Krieg
    wurde von Militärs geleitet, die schon gegen die Indianer gekämpft hatten und nun noch,
    wie sie sagten, ein paar »Nigger« mehr umbrachten. Es war also nichts Neues. Die Presse
    äußerte sich erfreut darüber, daß die amerikanischen Truppen »die Eingeborenen auf englische
    Art abschlachteten«, damit diese »fehlgeleiteten Kreaturen, die uns Widerstand leisten,
    zumindest unsere Waffen respektieren« und später unsere guten Absichten erkennen.

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