War against people
sofort Bescheid, weil Verwundete eintrafen
und von den Ereignissen berichteten. Die Quäker machten sich nicht einmal die Mühe, die
Berichte weiterzugeben, weil so etwas fortwährend passierte. Nichts Besonderes an My Lai.
Später, nachdem die Fakten zunächst unterdrückt worden waren, wurde es bekannt, und, wie
ich meine, aus gutem Grund: Man konnte das Massaker einigen halbverrückten, ungebildeten
GIs in die Schuhe schieben, die nicht wußten, wer demnächst auf sie schießen würde, und so
die Aufmerksamkeit von den Kommandanten ablenken, die, weit vom Schuß, die Greueltaten
wie etwa die Bombardierung der Dörfer - angeordnet hatten. Und man konnte die
Aufmerksamkeit von den Apologeten zu Hause ablenken, die das alles beförderten und
verteidigten. Diese Leute müssen von der Kritik verschont bleiben, aber ein paar
durchgedrehte GIs, die etwas Schreckliches taten, das geht in Ordnung. Ich wurde nach der
Aufdeckung des Massakers von der New York Times Review of Books gebeten, einen Artikel
über My Lai zu schreiben, aber ich habe die Vorgänge dort kaum erwähnt. Es ging mir um
den Kontext, und das halte ich weiterhin für richtig.
Zu Beginn der siebziger Jahre war deutlich geworden, daß die Vereinigten Staaten den Krieg
im Grunde gewonnen hatten. Sie hatten ihre vorrangigen Ziele erreicht, die, wie die
Dokumente zeigen, darin bestanden, Vietnam eine erfolgreiche, unabhängige Entwicklung
unmöglich zu machen. Das Land sollte nicht zu einem »Virus« werden, der andere Staaten
infizieren und zu einem ähnlichen Kurs inspirieren würde. Man befürchtete, daß Japan sich
mit einem unabhängigen Asien arrangieren und womöglich zum industriellen Zentrum einer
der US-amerikanischen Kontrolle entzogenen neuen Ordnung in Fernost werden könnte.
Die USA hatten den Zweiten Weltkrieg im Pazifik geführt, um genau dies zu verhindern und
waren nicht bereit, so etwas in der Nachkriegszeit zu tolerieren. Jahre später trug McGeorge
Bundy, Sicherheitsberater von Kennedy und Johnson, die Überlegung vor, daß die USA sich
1966, nach den Massakern in Indonesien, aus Vietnam hätten zurückziehen sollen. Was in
Indonesien geschah, ist mit den Ereignissen in Ruanda zu vergleichen. Die Armee sorgte
dafür, daß innerhalb weniger Monate eine halbe bis eine Million Menschen ermordet wurden,
wobei das Militär von den USA unterstützt und ermutigt wurde. Vor allem zerstörte sie, und
darauf kam es an, die einzige Partei, die von den Massen unterstützt wurde. Die Opfer der
Massaker waren zumeist Bauern, die kein Land besaßen. Die CIA verglich die Massenmorde
mit denen von Hitler, Stalin und Mao. In den USA wurden sie von links bis rechts mit
unverhohlener Euphorie begrüßt. Man muß das nachlesen, um es zu glauben. In der
Geschichtsschreibung werden diese Ereignisse nicht wieder auftauchen. Sie sind zu brisant.
Bundy jedenfalls meinte, daß Vietnam schon 1966 weitgehend zerstört war und in den
Nachbarstaaten kein Kommunismus mehr drohte. Somit besäße der Virus keine
Ansteckungsgefahr mehr, und der Krieg war für die Vereinigten Staaten gegenstandslos
geworden.
Nach dem Krieg
Der Krieg wurde dennoch fortgesetzt. Wir haben den Vietnamesen ein grauenhaftes Erbe
hinterlassen: an die vier Millionen Tote in Indochina, noch mehr Millionen Waisenkinder,
Verstümmelte, Flüchtlinge, drei verwüstete Länder - nicht nur Vietnam. In Laos sterben
noch heute Menschen an Minibomben, die von US-Kampfflugzeugen in einer der
umfangreichsten Aktionen der Geschichte auf zivile Ziele abgeworfen wurden. Nur in
Kambodscha ging es noch schlimmer zu.
Unter einer Erblast des Kriegs hat Vietnam bis heute zu leiden, nämlich unter den Folgen
des in der Geschichte beispiellosen Einsatzes chemischer Kampfmittel, womit schon die
Regierung Kennedy begonnen hatte. Der Chemo-Krieg hat in den USA große Aufmerksamkeit
gefunden, weil US-Soldaten dadurch geschädigt wurden. Aus diesem Grunde wissen wir so
viel über die Auswirkungen von Agent Orange und Dioxin. Natürlich hatten und haben die
Vietnamesen sehr viel stärker darunter zu leiden, aber das findet hierzulande so gut wie
keine Beachtung. Ein paar Artikel über dieses Thema habe ich auftreiben können, wie zum
Beispiel einen umfangreichen Beitrag des Wall Street Journal vom Februar 1997. Dort hieß
es, daß in Südvietnam schätzungsweise eine halbe Million Kinder mit dioxinbedingten
Mißbildungen geboren wurden - eine Folge der Millionen Tonnen
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