War da noch was - Roman
Maße.
»Überhaupt waren alle aus deiner Familie ganz wunderbar«, bemerkte Maggie. »Deine Mutter hat mich allerdings schon fast mit dem nächstbesten Landadligen hier verkuppelt, der laut Laura wohl fast sechzig ist. Sie saß mir gegenüber am anderen Tischende und hat nur den Kopf geschüttelt und ein lautloses ›Nein‹ geflüstert.«
»Ist meine Mutter dort?«
»Ach, alle sind da. Und wir hatten trotz allem ein sehr nettes Essen gestern Abend. Dein Vater hat behauptet und mir dabei fest in die Augen geblickt, dass das Leben als Single viele Vorteile bietet.«
Ich lachte.
»Und Kit genauso, der übrigens göttlich ist. Ich weiß gar nicht, warum du den immer so versteckt hast.«
»Der versteckt sich selbst«, sagte ich rasch.
Viele Frauen – und auch Männer – hatten sich im Laufe der Jahre in Kit verliebt und waren enttäuscht worden, denn Kit konnte sich für keine Seite richtig entscheiden. Mum behauptete, er warte nur auf die richtige Frau, aber Laura und ich waren da nicht so sicher. Er war eher ein Zuschauer. Kit hatte mehr Freunde und Patenkinder als jeder andere, den ich kannte, und wenn es nach ihm ging, durfte es so bleiben.
»Ich gehe heute Abend mit ihm zusammen Indisch essen in Thame, obwohl deine Mutter meint, wir sollten
lieber in den Pub gehen, in dem ihr Landadliger normalerweise an der Bar rumhängt. Hugh dagegen sagt, wir sollten lieber gleich hinter die Bar gehen, weil nämlich der Wirt dort seiner Meinung nach so viel Geld macht, indem er die besoffenen Leute dort übers Ohr haut, dass ich ihn heiraten und mich nach einem Jahr wieder scheiden lassen und mit dem Gewinn nach Acapulco auswandern könnte.«
Ich lächelte. Sie war ein Stehaufmännchen, wie sie auch selbst immer sagte. Und ich war froh, dass meine Familie ihr dabei half.
»Bleib ruhig noch da, Maggie. Du musst jetzt nicht nur wegen Fréjus schnell hierherkommen. Ich komme schon zurecht. Bleib da und erhol dich ein wenig.«
»Das würde ich gerne, wenn du nichts dagegen hast. Deswegen rufe ich eigentlich an. Ich bin momentan nicht so scharf drauf, alleine den Kanal zu überqueren, am Ende werfe ich mich noch über Bord. Die Zauberpillen, die ich von Dr. Owen bekommen habe, haben noch einiges zu bewirken.«
»Du hast sie?«
»Oh, ja. Ich bin am Freitagabend ohne Termin in seine Sprechstunde gerannt und habe so fest auf seinen Schreibtisch gehauen, dass es in seinem Briefbeschwerer von ganz allein anfing zu schneien. Er ist aufgesprungen und hat mir das Rezept ausgestellt, als würde man ihm eine Knarre an den Kopf halten – was vielleicht noch angenehmer wäre als eine verrückt gewordene Frau in der Menopause mit irr hin und her rollenden Augen. Ich bin mit einem ganzen Jahresvorrat wieder rausgegangen und habe dabei schon gleich mal sechs geschluckt, für alle, die ich bisher ausgelassen habe.«
Ich kicherte. »Und?«
»Der Packungsbeilage zufolge werden die Sorgenfalten innerhalb weniger Tage verschwinden, der Teint wird frisch, die ausgedünnten Haare bekommen wieder Sprungkraft, und meine Ausgeglichenheit und mein Gedächtnis werden auf wundersame Weise wiederhergestellt werden. In der Theorie werde ich innerhalb weniger Tage mit glänzenden Augen und dem Körper einer Sechsundzwanzigjährigen an Henry in der Lillie Road vorbeijoggen, sodass er es gar nicht fassen kann und seine Entscheidung zutiefst bedauert.«
»Und in der Realität?«
»In der Realität fühle ich mich beschissen. Aber der Test läuft noch, Hatts. Ich halte dich auf dem Laufenden.«
Ich lächelte und verabschiedete mich, wobei ich ihr Glück und alles Liebe wünschte.
Ich saß im Bett und hielt meine Knie umklammert. Wie immer war Maggie, die ja fünf Jahre älter war als ich, die Vorreiterin. Sie war diejenige, die eine Affäre mit einem verheirateten Mann hatte, da das, wie sie leichthin bemerkte, »alles ist, was noch an Männern auf dem Markt ist«. Jetzt war sie es, die die Wunderpillen schluckte. Plötzlich schien es mir, als läge ich nicht weit zurück. Auch für mich war das alles nicht mehr Lichtjahre entfernt, wie ich mir bislang immer sorglos eingeredet hatte. Maggie war jetzt in einer Situation, in der ich mich eines Tages ebenso befinden würde. Natürlich hatte ich Seffy, aber Seffy war fünfzehn, würde bald ein Auslandsjahr machen oder studieren. Und schon war er verschwunden. Natürlich würde er noch an den Wochenenden nach Hause kommen und zu Weihnachten und Ostern … aber eigentlich würde er fort sein. Und ich
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