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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Foto noch einmal genauer ansehen wollte, weil ich Célines Oberteil erkannt hatte. Ich hätte nämlich genau das gleiche zu Hause, das ich bei Primark – nein, in Paris – gekauft hatte. Was für ein Zufall, nicht wahr? Hal hatte diese Erklärung akzeptiert, als wäre sie vollkommen glaubwürdig, aber bei einem Blick in den Badezimmerspiegel hatte ich sein Gesicht gesehen, während er meinen Finger verband: attraktiv, gefasst. Und daneben das Gesicht einer nicht mehr ganz jungen Frau. Erhitzt, mit verschmierter Wimperntusche und übermäßig glänzenden Augen, so, als hätte sie sich schon ein paar Gläschen Sherry genehmigt.
    Als wir auf dem Platz vor meinem Hotel ankamen, blinkten die Lichter in den Bäumen über uns, und die Menschen saßen noch immer draußen auf der Terrasse. Ich überlegte, ob ich ihn auf ein Gläschen hereinbitten sollte. Überlegte, ob ich mir etwas Würde zurückerobern konnte. Vielleicht bei einem Pastis und einem ernsthaften Gespräch über Simone de Beauvoir. Aber gerade, als ich diesen Vorschlag machen wollte, wurde er von einem untersetzten Franzosen begrüßt, der auf der Terrasse saß.
    » Alors – Hal!«
    Er nahm seinen Cognac-Schwenker und taumelte die Stufen hinunter, um Hal über meinen Kopf hinweg die Hand zu schütteln. Ich versuchte wach und interessiert auszusehen, kam mir aber nach einer Weile albern vor, einfach nur dazusitzen, während sie über meinen Kopf hinweg redeten, obwohl Hal mich vorgestellt hatte. Also stieg ich aus. Sofort schaltete Hal in den ersten Gang und warf mir ein entschuldigendes, aber dankbares Lächeln
zu, offensichtlich froh, dem redseligen Franzosen endlich zu entkommen.
    »Gute Nacht, Hal«, rief ich. »Vielen Dank noch mal!«
    »Nacht, Hattie.« Und schon war er fort.
    Mit einem breiten Lächeln und einer fröhlich erhobenen Hand, die er vielleicht im Rückspiegel sah, schaute ich ihm hinterher. Doch sobald ich mich umwandte, fiel das Lächeln in sich zusammen, und ich fühlte mich unbeschreiblich schwer.
    Schon seltsam, das Leben, dachte ich und stieg langsam die Stufen zur Terrasse empor. Er hatte ganz eindeutig nach mir gesucht, war mir hinterhergegangen. Und doch konnte er jetzt – was ja auch nicht überraschend war, nachdem ich mich als Frau erwiesen hatte, die stundenlange Vorträge über Hundescheiße und Hormonersatztherapie hielt, seine Sachen kaputtmachte und seinen Fußboden mit Blut verschmierte – gar nicht schnell genug wegkommen.
    Ich fühlte eine tiefe Erschöpfung, als ich hineinging und müde die bandagierte Hand zum Gruß für Monique und das Häuflein Antiquitätenhändler hob, die noch an der Bar ausharrten. Und so lehnte ich auch Porzellan-Antoines Einladung ab, mich doch zu ihnen zu gesellen, obwohl ich genau dort hingehörte: zu Madame Alain und den anderen Singles. Ich würde mich nahtlos einfügen, während sie die Nacht durchzechten.
    Stattdessen stieg ich die Treppe zu meinem Zimmer hinauf. Ein Blick in den langen Spiegel auf dem Treppenabsatz zeigte mir ein schmallippiges, besorgtes Gesicht. Mir wurde klar, dass ich es versiebt hatte. Was hatte ich versiebt? Was gab es da zu versieben? Etwas verschwommen kam mir der Gedanke, dass ich heute Abend, ohne es zu wollen, etwas zu Grabe getragen hatte, das Hal bislang
verfolgt hatte. Dass er nun frei von irgendwelchen wehmütigen, nagenden Zweifeln wirklich Ernst machen und seine schöne junge Verlobte heiraten konnte. Aber das war wie gesagt ein sehr unscharfer, ziemlich eingebildeter Gedanke, wie ich feststellen musste. Ich gab mir einen kleinen Ruck, steckte den Schlüssel ins Schloss und betrat mein Einzelzimmer, um schlafen zu gehen.

18
    A m folgenden Morgen war ich gerade dabei mich anzuziehen, als Maggie anrief. Immerhin war ich schon bis zur Unterwäsche gekommen, aber da heute ein Urlaubstag für mich war – keine weiteren Märkte bis zu dem weiter südlich in Fréjus stattfindenden in der nächsten Woche – ging ich den Tagesanfang ganz locker und gemütlich an.
    »Und, wie läuft’s?«, fragte sie. Nein, eigentlich fragte Maggie nie, sie forderte eine Antwort!
    »Gut. Ich glaube, ich habe gestern ziemlich gut eingekauft. « Ich kuschelte mich unter die Bettdecke zurück in dem befriedigenden Gefühl, ein paar Schnäppchen gelandet zu haben. »Zwei wunderschöne Biedermeier-Stühle für das Haus Westgate Terrace Nummer 42, ein ganzes Set von Regency-Esszimmerstühlen für Lisson Grove, die genau zu dem Georgianischen Esstisch passen, den sie da haben –

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