War da noch was - Roman
Eichentisch entstanden waren und den Betrachter irritieren sollten. Ralph hatte nicht versucht, den Raum zu modernisieren, sondern war noch weiter zurückgegangen, zu einer Zeit, in der behaarte Männer ihren Hunden über die Schulter Knochen zuwarfen. Er hatte es gewagt, die Holzvertäfelung in einem entzückenden, sanften Grau zu streichen, genau so ein Grau, wie Maggie und ich es gerne benutzten. Und die Stühle hatte er mit einem groben Leinenstoff neu bezogen und sie entlang der Seitenwände des Raumes verteilt. Stattdessen gab es am Esstisch Bänke
für den alltäglichen Gebrauch, schwere eichene, die auf jeder Seite des Tisches standen.
»Ooh …«, sagte ich und setzte mich, »das gefällt mir.«
»Nein, tut es nicht!«, schnaubte sie.
»Doch«, sagte ich treulos und mutig zugleich. »Ich finde, er hat das toll hingekriegt. Und diese riesigen Teller. Genial.« Ich nahm einen davon in die Hand.
»Platzteller«, korrigierte sie mich. »Wir dürfen nicht einfach Teller sagen, sondern müssen dieses blöde, angeberische Wort benutzen.«
Ich stellte den Teller wieder hin.
»Ja, aber du wirst immer sauer, Maggie, wenn unsere Kunden von ›Sofas‹ und ›Couch‹ reden, dann grummelst du immer vor dich hin: ›Bergère‹.«
»Das nervt ja auch«, sagte sie, warf den Kopf zurück und kratzte sich mit Nachdruck. »Weil es falsch ist.«
»Tja, und genau das findet er auch«, sagte ich und stand auf. Ich warf noch einen Blick auf das Gemälde. »Ist das der Dreckspritzer?«
»Wenn du willst, kannst du auch Blutspritzer sagen.«
»Von wem ist das? Sieht aus wie ein Kandinsky.«
»Das ist eine Kopie. Aber keine richtige, wenn du verstehst, was ich meine. Mehr so ›im Stil von‹.«
»Schlau!«, staunte ich und drehte mich zu ihr um, weil ich wusste, dass sie dasselbe dachte. Ich hatte es schon an ihren knappen Antworten und an der Art gemerkt, wie sie auf ihrem Daumennagel herumkaute. »Komm schon, Maggie, der Typ hat Stil. Und er ist auch nicht nur durch hohles Gerede dahin gekommen, wo er heute ist. Wir wissen, dass das nicht möglich ist. Er hat es sich erarbeitet. Man ist immer nur so gut wie der letzte Auftrag.«
Sie seufzte. »Ja, okay, er hat was, das gebe ich zu. Aber warum muss er dabei so ein arroganter Schnösel sein?«
Ich zuckte die Schultern. »Wer weiß? Unsicherheit? Oder vielleicht ist es angeboren. Hast du dich schon bemüht, es herauszufinden?«
»Warum sollte ich?«, erwiderte sie. »Und überhaupt hatte ich viel zu viel mit meinen eigenen Räumen zu tun, um mir seine groß anzusehen.«
»Aber deine sind echt toll geworden«, versicherte ich ihr. »Laura ist entzückt.«
»Wirklich?«, fragte sie verunsichert.
»Absolut, das hat sie mir gesagt.« Das stimmte. Sie hatte gesagt, dass es fantastisch funktioniert hätte mit zwei Designern im Haus, besser, als sie es je gehofft hätte. Und dass Hugh auch ganz begeistert wäre. Aber sie hatte es auf so eine stille Art gesagt, so typisch Laura, die mir nicht gefiel und die mir zeigte, dass sie ganz andere Dinge belasteten. Luca vermutlich. Doch darauf wollte ich jetzt nicht herumreiten.
»Und hat es dich von Henry abgelenkt?«, fragte ich vorsichtig.
»Ja, das hat es«, sagte sie etwas überrascht. »Ich meine, da gab es schon solche Momente, wo ich ganz schnell aufs Klo rennen und mir die Haare raufen und auf die Brust schlagen musste. Aber hierherzufahren, aus London rauszukommen, weit weg von ihm zu sein … das hat schon geholfen. Und so ein anständiger Streit mit einem anderen Gestalter bringt einen auch auf ganz andere Gedanken, nicht wahr?« Sie grinste. »Und was ist mit dir? Was macht dein Liebesleben?«
Aus unerfindlichen Gründen dachte ich an Hal.
»Oh. Ivan geht es gut.« Ich ging zu den hohen Fenstertüren hinüber und sah nach draußen. »Alles bestens.« Ich konnte es mir selbst nicht recht erklären, aber irgendwie wollte ich nicht darüber sprechen. »Und Frankreich war
auch gut. Ich habe in Montauroux ein paar super Sachen für den Laden gefunden und übrigens auch für hier. Ich bringe sie nächstes Wochenende mit.«
»Gut. Ich habe versucht, dich anzurufen, aber dein Handy war immer aus. Du warst vermutlich zu sehr mit Ivan beschäftigt, nehme ich an.«
»Ja, wir haben uns gut amüsiert, Ivan und ich.«
»Vögeln was das Zeug hält, was?« Sie grinste. Aber wie immer bei Maggie verspürte ich ein klein wenig Missbilligung hinter ihrem Lächeln. So wie ich sie immer wegen Henry gewarnt hatte, trat sie auch bei
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