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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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entfernt von den Annehmlichkeiten der Abbey in einem schäbigen kleinen Stadthaus, sondern ich war es auch. Und ich hatte noch nie zuvor so über mein Haus gedacht, noch nie. Es war mein Zuhause, mein Heiligtum, meine Zuflucht und doch kam es mir irgendwie komisch vor mit Seffy, der zu einer Zeit da war, zu der er eigentlich gar nicht da sein sollte, es waren ja keine Ferien. Und seine Freunde lagen auch nicht mit ihm zusammen vor dem Fernseher oder spielten oben laute Musik, sodass ich mit dem Besen gegen die Decke hauen und »Leiser!« brüllen musste. Alles war wie gedämpft. Er schien in diesen Tagen ohnehin gar keine Musik zu hören, und er sah auch nicht viel fern. Er las eine ganze Menge, wie ich bemerkte, und wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, saß er meist auf dem Sofa oder im Erkerfenster. Dort saß ich selbst gerne, weil es so schön hell war, aber Seffy? Seine Haltung war sehr erwachsen, mit Blick auf die Straße, nicht mit einer Tüte Chips vor den Fernseher oder den Computer gefläzt. Es war ein Ort zum Nachdenken, wo man die Gedanken schweifen lassen und leise vor sich hin seufzen konnte. Und als ich, während er gerade mal zur Toilette ging, das Buch vom Boden aufhob, in dem er gelesen hatte,
da ließ ich es gleich wieder fallen, als ob es glühend heiß wäre. Gedichte. Gedichte! Und nicht irgendwelche, sondern von Marvell! Selbst ich wusste, worüber der geschrieben hatte.
    »Was macht du damit?«, hatte ich in scharfem, anklagendem Ton gefragt, als er zurückkam, so als hätte ich ihn mit Busenwunder oder Heiße Asiatinnen erwischt.
    Er zuckte mit den Schultern. »Hab ich im Bücherregal gefunden.«
    »Ach so.«
    Ja, und ein Blick auf den Innentitel bestätigte, dass das Buch tatsächlich mir gehörte. Da stand mein Name in einer schnörkeligen Handschrift und mit lila Tinte geschrieben, die ich in einer exotischen Phase benutzt hatte. »Harriet Carrington, 1989«.
    Ich hatte es gekauft, weil Hal es mir empfohlen hatte. Ich studierte Englisch und er Jura, doch hatte ich Marvells »spröde Geliebte« durch ihn kennengelernt, ebenso wie die Musik von Bach und das Kochen mit Kräutern und Knoblauch. Und es hätte noch so Vieles mehr sein können. So Vieles, das ich damals nicht hatte haben wollen, dem ich die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Jetzt klappte ich das Buch zu, absichtlich ohne die letzte Seite, auf der Seffy gelesen hatte, zu markieren.
    »Dieser Ali-G.-Film kommt nachher im Fernsehen. Soll ich uns eine Pizza kommen lassen und dann schauen wir ihn zusammen an?«
    » Borat. Nee, den hab ich schon gesehen. Und ich hab eigentlich auch gar keinen Hunger. Ich geh hoch.«
    Und damit war er auch schon auf dem Weg nach oben, die überlange, zerrissene Jeans schleifte über den Boden, und an der Taille lugte ein ordentliches Stück Boxershorts hervor. Und die Liebesgedichte nahm er mit.

    »Er ist fünfzehn!«, flüsterte ich eindringlich, als ich später mit Maggie telefonierte.
    »Na und, wie süß, ist doch toll oder etwa nicht? Mein Patensohn hat also nicht nur Hirn, sondern auch noch eine wunderbar empfindsame Seite.«
    »Und du glaubst nicht, dass das bedeutet, dass er Es tut?« Ich kaute auf der Innenseite meiner Unterlippe herum. Kniff die Augen fest zusammen.
    Es folgte ein tadelndes Schweigen. »Nein, ich glaube nicht, dass es bedeutet, dass er Es tut«, bemerkte sie trocken. »Und fang jetzt bloß nicht an, sein Tagebuch zu lesen. «
    »Nein, nein, das tue ich nicht«, hauchte ich beschämt.
    Und tat doch etwas Entsprechendes. Maggie, kinderlos, konnte nicht wissen, dass das heute Facebook bedeutete. Wie ich feststellen musste, fand ich mich dort aber überhaupt nicht zurecht: Massenhaft Teenies, die mit den Armen wedelten und ihre Zungen rausstreckten. Nach zwanzig aufregenden Minuten oder so, in denen ich mich ständig panisch umsah, ob er wieder nach unten kam, gab ich auf. Aber dann – oh, Hattie, wie tief kannst du eigentlich sinken? – sah ich sein Handy. Er hatte es auf dem Sofa liegen gelassen, als er sich mit seinem Buch nach oben verzogen hatte. Ich stürzte mich darauf. Schaute angespannt die Treppe hinauf. Dann klickte ich mich zu seinen Nachrichten durch.
    Es gab ein paar von seinem Freund Will in der Schule: »Pech gehabt, Alter, hätte jedem passieren können.« Oder: »Ja, Davis macht Stress, aber Davis ist ein Penner.« Das bezog sich auf den Lehrer, der bei dem unglückseligen Ausflug als Aufpasser dabei gewesen war.
    Dann eine von meinem Vater, in der es

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