War da noch was - Roman
ein gewinnendes Lächeln, in dem ich mich sonnte wie ein Salamander, entschlossen, mich am Nachmittag noch mehr ins Zeug zu legen.
»Ich muss los zur Sitzung«, sagte er da bereits zu Katya, »und ich dachte, ich stelle heute mal die Kindergartenfrage, wenn der Speaker in Form ist. Was meinen Sie?«
»Unbedingt«, pflichtete sie ihm bei. »Tom Paine meinte neulich, dass jemand das mal fragen muss, es wäre vielleicht nicht so populär, aber sonst wird sich irgendwann die Opposition fragen, warum es keiner getan hat.«
»Genau.« Damit eilte er von dannen.
Ich schaute sie voller Bewunderung an. Oh … mein … Gott. Sie war nicht nur Sekretärin oder Assistentin. Sie beriet ihn sogar. Er vertraute ihren klugen Ratschlägen, um die er nicht nur bat, sondern die er auch befolgte. Sie stieg in meiner Hochachtung um das Zehnfache, während ich hinter ihr her hinauf zur Besucherempore trabte. Ich überlegte sogar, ob ich mir hautfarbene Strumpfhosen zulegen sollte.
Klein und grün, von innen fast wie eine Kapelle, aber viel lauter, brodelte das Unterhaus förmlich vor Parlamentariern, die mit Papierfetzen herumwedelten. Der Testosteronpegel war hoch, auch wenn sich auf den vorderen Bänken ein paar rosa Kostüme und Seidentücher ausmachen ließen. Ich war fasziniert, genoss die Atmosphäre, die an diesem Tag besonders eindrucksvoll war, wie Katya erklärte, weil später über einen umstrittenen
Gesetzesentwurf abgestimmt werden sollte, weswegen alle gewählten Vertreter anwesend waren. Fragen wurden dem Premierminister entgegengeschleudert, der selbstsicher an seinem Pult lehnte und einige davon wie dreckige Fliegen vom Tisch wischte und auf andere länger und ausführlicher einging. Schließlich strich sich ein leicht nervös wirkender Dominic den Schlips glatt und erhob sich, aber noch bevor er ans Ende seiner Frage gelangte, wurde er von einem unhöflichen, fetten Mann der Oppositionsseite niedergeschrien. Ich schnaufte vor Empörung. Doch Dominic ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und wurde vom Vorsitzenden, dem Speaker, bestärkt, sodass der Premierminister keine Wahl hatte, als zu antworten, auch wenn er die Kritik aus den eigenen Reihen nicht gerade begrüßte und dann auch noch wegen seiner schwachen Antwort von der Opposition verhöhnt wurde. Ich war hin und weg.
Auf dem Weg nach draußen war mir unangenehm bewusst, dass meine Augen glänzten; doch als wir Dominic noch einmal über den Weg liefen, konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm die Hand auf den Arm zu legen, bevor er davoneilte.
»Darf ich nur sagen, dass ich fand, Sie waren fantastisch. Absolut fantastisch. Er hat zwar so getan, als ginge er gar nicht darauf ein, aber Sie haben ihm wirklich zugesetzt. «
Er war mit ein paar seiner Mitstreiter auf dem Gang unterwegs gewesen, und sie alle drehten sich nach mir um. Dann warfen die anderen beiden die Köpfe in den Nacken und brachen in Lachen aus.
»Na, da hast du offenbar eine Stimme für dich gewonnen, auch wenn der Rest von uns gegen dich ist.«
Viel Gelächter und Schulterklopfen über meine Bemerkung,
die, wie mir nun klar wurde, allzu überschwänglich und anbiedernd gewesen war, doch Dominics Blick war zwar amüsiert, aber freundlich.
»Dankeschön. Wenigstens gibt es unter meinen Mitarbeitern welche, die eine gute Frage erkennen, wenn sie sie hören.«
Dies löste weitere Wellen der Erheiterung aus, und dann marschierten sie als graue Flanellwand davon, allerdings nicht, ohne dass Dominic noch ein strahlendes Lächeln über die Schulter zurückwarf.
Die Woche verstrich, verflog in meiner Wahrnehmung, aber glücklicherweise war ich ja noch eine weitere Woche da. Diese zweite würde noch schneller verfliegen, das wusste ich und versuchte, nicht daran zu denken. Versuchte, nicht daran zu denken, dass ich bald wieder gehen musste, als am zwölften Tag – und ich schwöre bei Gott, dass ich sie nicht angerührt habe – ein kleines Wunder passierte. So etwas, was mir eigentlich nie passiert. Katya verrenkte sich den Rücken. Am Abend zuvor hatte sie in ihrer Wohnung in Vauxhall versucht, die hohen Fenster zu putzen, war dabei vom Hocker gefallen und krümmte sich nun vor Schmerzen. Am nächsten Tag kam sie nicht zur Arbeit und fehlte noch zwei weitere Tage, was es noch nie gegeben hatte, wie Dominic mir anvertraute. Sie hatte in den ganzen fünf Jahren keinen einzigen Tag wegen Krankheit gefehlt. Am selben Nachmittag rief sie um fünf Uhr an, um zu sagen, dass sie noch immer nicht gehen
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