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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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Aber im Prinzip stimme ich Ihnen schon zu, wir sollten alle das gleiche Ziel haben, das Wohl der Allgemeinheit. Was ich persönlich in einer besseren Bildung für alle sehe.«
    »Oh, da kann ich nur zustimmen.«
    »Die Verhältnisse an unseren Schulen sind chaotisch.«
    »Furchtbar.«
    »Für manche muss man sich geradezu schämen.«
    »Beschissen.«
    Ich war nervös, okay?
    »Ich meine, ich hatte das Glück, eine sehr privilegierte
Erziehung zu genießen. Aber das hat der Großteil der Menschen nicht und das bricht mir das Herz.«
    »Meines auch«, sagte ich mit Nachdruck.
    »Wirklich? Wo sind Sie zur Schule gegangen?«
    Ich überlegte fieberhaft. Ich hatte eine beliebige Zahl von Schulen zur Auswahl. Laura sagte immer St Mary’s, weil das nach Privatschule klang, obwohl es eine staatliche Schule war. Kit hatte sich auf eine im US-Bundesstaat New York eingeschossen – ein Halbjahr –, aber ich entschied das immer eher danach, mit wem ich gerade redete.
    »Stockwell Gesamtschule.«
    »Ach wirklich?« Ich merkte, dass er beeindruckt war. »Dann hat Ihr Vater wirklich getreu seiner Überzeugung gehandelt.«
    »Wir hatten einfach kein Geld.«
    »Nein. Genau. Sie kennen also die Verhältnisse. Kennen die Probleme.«
    »Ja, allerdings«, sagte ich bedeutungsvoll. »Schrecklich, diese Schule.« Ich hatte mich pudelwohl gefühlt in Stockwell. Superwohl. Hatte massenhaft Freunde aller Bekenntnisse und Kulturen gewonnen und fand es dort lebendiger und spannender als an jeder der verstaubten Klosterschulen, die ich zuvor besucht hatte.
    »Nun ja, das ist mein besonderes Hobby. Mir die innerstädtischen Gesamtschulen vorzuknöpfen. Und da ist es ja faszinierend, dass Sie Erfahrungen aus erster Hand haben. Und vermutlich liegt das alles auch noch nicht allzu lange zurück, oder?«
    »Ja, ich habe erst vor ein paar Jahren meinen Abschluss gemacht.«
    Er starrte mich an, beinahe ehrfürchtig, fast so wie ein Botaniker eine seltene Orchidee. Ich spürte, wie ich förmlich
glühte. Spürte viele kommende Stunden mit vertraulichen Gesprächen über Klebstoff-Schnüffeln und Drogen und Messer herannahen, und ich wäre seine persönliche Informantin. Vielleicht auf dem Sofa dort drüben, die Knie mädchenhaft unter mich gezogen, während ich ihn über die heutige Jugendkultur aufklärte. Ich konnte ihm auch zeigen, wie man einen ordentlichen Joint … nein, vielleicht doch nicht. Ich hörte zu, während er mir mein Aufgabengebiet beschrieb, das, wie ich ja bereits wusste, vor allem darin bestehen würde, den Computer zu malträtieren. Dann stand er auf und drehte sich zum Fenster, was bedeutete, dass ich seinen Rücken betrachten konnte. Ich schluckte.
    »Noch eine Sache. Katya ist … sehr um ihre Stellung hier besorgt, und sie ist schlichtweg wunderbar. Ich vermute, ich habe deswegen so lange gebraucht, noch eine weitere Hilfskraft zu engagieren, weil ich ihre Gefühle nicht verletzen wollte. Weil sie nämlich am liebsten alles allein machen würde.« Er wandte sich um und lächelte mich ein wenig unsicher an.
    »Das ist doch nur verständlich. Das hier ist ihr Revier. Sie sind ganz und gar ihr Baby.«
    »Im übertragenen Sinne.«
    »Natürlich. Genau wie das mit dem Papst.«
    Ich war ganz glücklich über diese kleine Retourkutsche. Er machte ein verwirrtes Gesicht, dann lächelte er. »Sie hat bereits zugegeben, dass Sie ihr eine große Hilfe waren. Aber ich möchte nur, dass Sie aufpassen …« Er machte ein verlegenes Gesicht.
    »Auf ihre Zehen?«
    »Genau.«
    »Ich werde nicht darauf treten.«
    »Danke.«

    Er grinste mich an, und ich grinste zurück, wir hatten uns verstanden. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass wir die gleichen Gedanken hatten.
    Als ich zu meinem Platz zurückkam, bemerkte ich, dass Katya mit sich kämpfte.
    »Ich freue mich sehr«, sagte sie, als ich mich setzte. Sie gab sich alle Mühe. »Wirklich, das meine ich ernst. Ich weiß, dass ich nichts abgeben kann, und ich weiß, dass letztlich jemand kommen musste, und ich bin froh, dass Sie es sind.«
    Ich erkannte das Glänzen in ihren Augen, und in diesem Augenblick wurde mir klar, dass sie ihn liebte. Mir wurde ebenso klar, dass »Ich bin froh, dass Sie es sind« bedeutete, nicht jemand, der in seinem Alter war. Ich war noch sehr jung und linkisch und ungeschickt. Was sie nicht wollte, war eine weltgewandte Dreißigjährige, die in eine Wolke von Chanel gehüllt mit übergeschlagenen Beinen auf der Schreibtischkante saß und ihre exquisit

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