War da noch was - Roman
weg.
»Wir?«
Ach. Hatte sie das nicht gesagt? Sie hatte sich gefragt, ob ich nicht mit ihr gemeinsam in das Geschäft einsteigen wollte. Sie hatte gesehen, was ich gekauft hatte, was mir gefiel, und glaubte, wir könnten gut zusammenarbeiten. Uns gegenseitig ergänzen. Mein Auge für Details und ihres für den Gesamteindruck. Und mit ihrer Erfahrung – sie handelte schon seit sechs Jahren mit Antiquitäten und sprach Französisch – und meinem Anfängerglück – genau wie Christian hatte die Limoges-Schale sie insgeheim erstaunt, konnten wir nicht irren. » C’est magnifique «, erklärte sie mir.
»Aber ich habe kein Geld.«
»Nein, aber ich habe ein wenig, und du kannst es mir zurückzahlen. Und wir können auch einen Kredit aufnehmen. «
»Bei wem?«
»Bei der Bank. Was glaubst du denn, wie Unternehmensgründer anfangen?«
»Oh …«, sagte ich langsam, ich hatte keine Ahnung von nichts. »Aber was ist mit Christian?«
»Ich weiß, daran habe ich auch schon gedacht. Aber wir können seine Sachen bei uns im Laden verkaufen, das wäre kein Problem. Er wird bei uns, in einem richtigen Laden, mehr verkaufen als bei Antiquarius. Und du kannst es ja immer noch für ihn einkaufen. Was meinst du?«
Ich weiß noch genau, wie ich sie unter der Markise vor dem Café in der sternklaren Nacht über die karierte Tischdecke hinweg anschaute. Ihre dunklen Augen leuchteten vor Aufregung, obwohl sie versuchte, es zu verbergen. Es war der reservierte Blick eines Menschen, der schon einmal verletzt worden war. Ich blickte über sie hinweg, um mich nicht durch ihre Verletzlichkeit, den Wein und die warme Nachtluft beeinflussen zu lassen. Schließlich hatte ich selbst meine Trauer zu pflegen und zu verarbeiten, damit würde ich genug zu tun haben. Und ich hatte sie ja gerade erst kennengelernt. Aber ich weiß auch noch genau, dass ich dachte, während mir die Sterne zublinzelten, dass dort draußen zwar etwas gestorben war, dass aber zugleich auch etwas geboren werden könnte. Der Beginn von mir als einer anderen Person, deren Leben sich nicht mehr darum drehen würde, in einen Mann verliebt zu sein. Das war möglicherweise die Geburtsstunde meiner Professionalität, durch die ich meine Leidenschaft in eine Richtung lenkte, die ich kontrollieren konnte.
Ich holte tief Luft. Mein Blick kehrte zu ihr zurück. »Warum nicht?«
12
R alph de Granville kam mit einem Schwall frischer Luft in die Küche der Abbey gefegt, in der die Carringtons gerade in unterschiedlichen Stadien sonntäglich verschlafener Benommenheit um den Frühstückstisch saßen. Zumindest einige von uns: Die älteren Jugendlichen schliefen noch, es war ja erst halb zehn, aber Daisy war schon da und träumte im Morgenmantel vor sich hin. Mr de Granville, elegant, gut aussehend und strahlend in einem hellgrünen Seidenjackett mit orangefarbenem Kragen, üppigen weißen Hosen und Riemensandalen, schien von einem anderen Planeten hinabgebeamt worden zu sein, so plötzlich erschien er in unserer Mitte. Er lächelte entzückt und faltete die Hände, während Hugh, der an die Hintertür gegangen war, in der Annahme, es sei sein Wildhüter, ihn entschuldigend vorstellte.
»Ähm, Liebling, das ist Mr de Granville. Er ist ein wenig früh dran, weil …«
»Weil eine ganz grauenvoll schwierige Kundin in Henley will, dass ich nachher noch vorbeikomme und ihre Vorhänge drapiere, bevor ich nach Italien abreise, ob Sie’s glauben oder nicht.« Er warf die wippende, dunkle Haartolle zurück und nahm eine geradezu ballettreife Pose in der Mitte der Bühne ein. »Deswegen bin ich rasch hier vorbeigefahren. Sie meint, sie wagt nicht sie anzurühren, weil ich sie so wunderschön arrangiert habe, aber wie
ich bereits zu meiner Assistentin gesagt habe, bräuchte es weit mehr als einen verrutschten Vorhang, um den Raum dort zu verunstalten. Dort stimmt alles, es ist alles in einer perfekten Symbiose, wenn ich das selbst so sagen darf. ›Zupfen Sie nur, Madam, zupfen Sie nur!‹, habe ich ihr am Telefon erklärt. Aber sie gehört zu der Sorte Frauen, die sich nicht einmal trauen würde, sich selbst in der Nase zu bohren, wenn Sie verstehen, was ich meine. « Er hob bedeutungsvoll die Augenbrauen und setzte dann ein strahlendes Lächeln auf. »Sehr erfreut. Ralph de Granville. Sehr erfreut, hallo, hallo …«, so ging er um den ganzen Tisch herum und schüttelte jede einzelne, erstaunt hingehaltene Hand, einschließlich der von Charlie, der extra seinen Eierlöffel in die
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