War da noch was - Roman
einer Lampe, Kerzenständern und einem Stapel antiker Bücher; eine geschwungene Konsole flankierte die andere Seite, zwischen einem Paar exotischer Mohrenstatuen. Mitten im Raum stand ein wunderschöner Bergère-Sessel mit Knopfpolster an der Rückenlehne, lang, niedrig und mit Daunenkissen, auf dem sich vor zweihundert Jahren eine feine Dame niedergelassen hätte. Der Sitz war breit genug, damit ihre Reifröcke nicht zerknitterten. Das war es, was mir an unseren Objekten so gefiel – ich fuhr mit den Fingern über den kunstvoll geschnitzten Rahmen des Sessels – ihre Vergangenheit. Die Vorstellung, wer sie bereits berührt, darauf gesessen, in den Spiegel geschaut hatte, in edlen Kleidern daran vorübergerauscht war. Ja, man konnte in jedem Möbelhaus etwas Helleres und Glänzenderes finden, aber hatte das dann auch eine Seele? Hatte es eine Geschichte? Welche Geheimnisse bewahrte diese Gruppe von Fauteuils oder diese kleinen, vergoldeten Stühle, die sicher einmal entlang der Wände eines großen Salons gestanden hatten? Welche Gefühle hatten sie miterlebt, welche Blicke wurden vor ihnen getauscht oder Zärtlichkeiten hinter vorgehaltenem Fächer geflüstert?
Auf dem Weg zurück legte ich eine Reihe von silbernen
Apostellöffeln auf einem der Tische wieder ordentlich hin und setzte mich dann hinter die Theke, einen alten Apothekertisch, den wir in Fayence gefunden hatten, zufällig genau der Stadt mit der blauen Kirchturmuhr, wo Hal heiraten würde. Ich ließ den Blick über meine Schätze bis auf die Straße hinausschweifen. In mancher stillen Stunde in den vergangenen Jahren hatte ich überlegt, ob Hal vielleicht nie geheiratet hatte, weil er mich nicht vergessen konnte. Alberne, dumme, eingebildete Überlegungen, wie sich nun herausstellte, denn jetzt wusste ich es. Wie Letty gesagt hatte, er hatte sich vergnügt, bis er schließlich den größten Fang überhaupt gemacht hatte: eine schöne Französin, die er in dieser idyllischen Kirche zum Altar führen würde. Ich lächelte. Griff nach meiner Brille und schlug das Kundenbuch auf. Aber natürlich.
Ein paar Minuten später ging die Tür klimpernd auf, und Maggie kam mit unseren Lattes herein.
»Sieh mal, wer da bei Luigi rumhing und versucht hat, sich wieder wegzuschleichen, ohne uns zu besuchen.«
Christian folgte ihr nach drinnen, schob sich in seinem riesigen Tweedmantel mühsam über die Schwelle, prustend und schnaufend. Ich ging quer durch den Laden, um ihn zu umarmen.
»Wie konntest du es wagen!«
»Es geht ja nicht darum, dass ich nicht will euch besuchen«, keuchte er, »’at mehr zu tun mit, dass ich nicht will sein Überbringer von schlechte Nachricht – schon wieder! «
Maggie und ich schauten uns schuldbewusst an wie zwei Viertklässler. Christian, der inzwischen im Ruhestand und von Arthritis geplagt war, machte unsere Buchführung, da Maggie und ich beide an Dyskalkulie
litten. Er verzweifelte immer wieder daran, uns zu einer ausgewogenen Bilanz oder gar zu einem gesunden Profit zu verhelfen.
»Hattie ist Schuld«, sagte Maggie und ging zum Verkaufstresen hinüber, um dort die Kaffeebecher abzustellen. »Das meiste von dem Zeug hier drin ist unverkäuflich, weil sie die potenziellen Standorte allesamt nicht gut genug dafür findet.«
»Und für das, was zum Verkauf steht«, entgegnete ich, »denkt sich Maggie derart exorbitante Preise aus, dass wir es sowieso nie verkaufen.«
»Also, ich werde hier nichts für Peanuts verkaufen, so wie dieser Magpie -Laden an der Ecke. Die verschenken ihr Zeug ja geradezu.«
»Beruhigt euch, mes filles «, keuchte Christian und kam zu uns in unsere gemütliche Sitzecke hinter dem Apothekertisch, wo wir uns auf ein ausgeblichenes Brokatsofa (unverkäuflich) und ein paar Louis-Quinze-Stühle (so hochpreisig, dass sie nie verkauft werden würden) niederlassen konnten. Er machte es sich auf einem der Stühle bequem. »Ihr müsst das mal realistisch sehen. Ihr betreibt ’ier ein Laden, kein Waisen’aus, ’attie. Es geht euch nichts an, wo die schöne Limoges-Teller landen. Und, Maggie, du musst auf’ören dir einzubilden, dass du ’ast Geschäft in Mount Street oder bist Museumsleiterin!«
»Ein Teil unserer Sachen würde sich in der Mount Street sehr gut machen«, murmelte Maggie, allerdings nicht sehr überzeugend, weil sie genau wusste, dass er recht hatte. Wir waren in der letzten Zeit zu teuer geworden, waren nicht kommerziell genug. Und in der Nachbarschaft hatten neue Läden eröffnet,
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