War da noch was - Roman
gemütlichen Frotteeteil, schloss ich die Haustür ab und machte mir einen Becher Kakao. Auf dem Weg nach oben blieb ich an einem aufstehenden Teppichstück hängen, das ich schon seit einer Ewigkeit hatte reparieren wollen, und verschüttete etwas von meinem Kakao. Genervt suchte ich nach dem Hammer in der Küchenschublade und schlug ein paar Nägel ein. Dann wischte ich auf. Als ich schließlich mit den Überresten meines Kakaos ins Bett stieg, nahm ich einen Schluck. Er hatte eine Haut bekommen, die nun kalt an meinen Lippen hing. Das war nicht ideal.
15
A m nächsten Morgen rief Laura mich im Laden an. Maggie war gerade rausgegangen, um für jede von uns einen Caffe Latte mit fettarmer Milch zu holen, und ich hatte eine blonde Frau im Laden, die Sachen hochhob und ungläubig auf die Preisschilder auf deren Unterseite linste. Es war also nicht der günstigste Augenblick, um von meiner Schwester ins Kreuzverhör genommen zu werden.
»Du hast mir ja gar nicht erzählt, dass du Letty und Hal im Dorf getroffen hast!«
»Echt? Dann hab ich es wohl vergessen. Es drehte sich ja alles nur noch um Ralphie de Granville, als wir zurückgekommen sind. Da ist es mir wohl entfallen.«
»Und, was sagst du?«
»Über Letty?«
»Nein! Wir wissen alle, was es über Letty zu sagen gibt: eine arme verlorene Seele, die nie darüber hinweggekommen ist, dass ihr Mann gestorben ist, und sich stattdessen der Flasche zugewandt hat. Nein, Hal!«
»Ach so, Hal.«
»Ja, Hal! Findest du nicht, dass er suuper toll aussieht. «
»Laura, ich kenne Hal seit Jahren. Ich weiß, wie er aussieht. «
»Unsinn«, schalt sie, »als du noch mit ihm zu tun hattest,
sah er überhaupt nicht so aus wie jetzt. Ich hab dich doch mal in Edinburgh besucht, weißt du noch? Er war ein dünner, hühnerbrüstiger Kerl mit langen, fettigen Haaren. Jetzt ist er etwas fülliger und diese dunklen, geheimnisvollen Augen – himmlisch. Ganz wie sein Bruder, findest du nicht?«
»Nicht im Geringsten«, log ich. Es war meiner Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass die Familienähnlichkeit mit Hals wachsendem Alter viel stärker geworden war. Er war jetzt schon einige Jahre älter, als Dom gewesen war, als er starb, wie mir mit Schrecken klar wurde.
»Er heiratet im Herbst in der Provence. Es wird scheinbar eine Riesengeschichte.«
»Ja, das sagte er.«
»Was, dass es eine Riesengeschichte wird?«
»Nein, dass er heiratet. Oder Letty hat es erzählt, glaube ich. Äh, ja, genau, siebenhundertfünfzig Pfund …« Letzteres war an die wild gesträhnte Frau gerichtet, die die Hand ausgestreckt hatte und an dem Kronleuchter herumfummelte, um einen Blick auf das Preisschild zu erhaschen. »Der stammt aus der Jahrhundertwende, und jeder Tropfen ist Kristallglas.«
»Er war damals ja total in dich verknallt.«
»Das ist Jahre her«, winkte ich ab. »Wir waren noch nicht mal zwanzig und an der Uni, Himmel noch mal.«
»Na ja, eher Anfang zwanzig, bis du fertig warst. Und du weißt ja, was man sagt: Die erste Liebe bleibt und so.«
»Laura«, sagte ich und bemühte mich, ruhig zu bleiben. »Worauf willst du eigentlich hinaus? Du hast mir doch eben erst erzählt, dass er heiraten wird.«
»Ach, weißt du, es ist nur so: Ich habe Letty eben beim Metzger getroffen, und sie meinte, Hal hätte es gestern
total mitgenommen, dich zu sehen. Sie meinte, er wäre so still und nachdenklich gewesen und hätte sie angeblafft, als sie ihn gefragt hat, wie viele Einladungen sie verschicken wollen.«
»Letty?«, schnaubte ich verächtlich. »Die weiß doch kaum, welcher Tag heute ist, die Arme. Ich würde ihr eher nicht zutrauen zu beurteilen, wie aufgewühlt jemand innerlich ist.«
»Na ja, ich würde nicht gleich von aufgewühlt sprechen«, bemerkte Laura leichthin. »Er war nur ein bisschen still.«
Ich knirschte im Stillen mit den Zähnen angesichts der gelungenen Retourkutsche meiner Schwester. »Tut mir leid, die ist schon verkauft.« Das galt wieder der Blondgesträhnten, die ihre Aufmerksamkeit einer napoleonischen Jardinière zugewandt hatte.
»Also, eigentlich rufe ich ja an, um zu fragen, ob Seffy hier mit auf die Jagd gehen mag. Hughie hat am vierundzwanzigsten Oktober ein paar Leute aus der Gegend eingeladen und dachte, Seffy hätte vielleicht Spaß daran. Es ist ein Samstag, glaube ich.«
»Oh, das fände er bestimmt toll«, sagte ich, und meine Laune besserte sich sofort. Seffy hatte nämlich in letzter Zeit, nachdem er es zunächst als Sport für Snobs abgetan
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