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War da noch was - Roman

War da noch was - Roman

Titel: War da noch was - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Alliott
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meine Alltagsexistenz schieben. Ein Blick in eine der Küchen im Souterrain genügte, und schon saß ich dort unten beim Frühstück mit meinem nadelgestreiften Ehemann und meinen kleinen, blonden Kindern, bevor ich ihnen in ihren Strohhüten und Blazern auf dem Schulweg nachwinkte. Auch damals schon, als ich noch meine Topshop-Handtasche schlenkerte und den Gehweg mit meinen Flipflops entlangschlappte, die ich später gegen hochhackige Pumps tauschen würde, war ich nicht geneigt, mich zu Hause einsperren zu lassen. So erfand ich einen Teilzeitjob für mich, vielleicht eine ehrenamtliche Tätigkeit. Natürlich wollte ich nicht in der Kälte stehen und mit einer Blechbüchse klappern, das war ja klar, stattdessen eher im Warmen Bälle organisieren, gemeinsam mit anderen gut gekleideten Frauen mit zarten Gelenken. Später würde ich mich dann umziehen – irgendetwas, das sexy und teuer war, Ungaro vielleicht? Oder war das mehr Country-Style? Würde dann dem Kindermädchen ein paar Anweisungen erteilen und zum Taxi eilen, das bereits mit laufendem Motor vor meinem Haus stand, und nur kurz innehalten, um dem Taxifahrer zuzuhauchen: »Zum House of Commons, bitte.«
    Plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen. Wo war ich? Oh. Ja. Ich stand vor einem dieser perfekten Häuser. Genauer gesagt vor dem von Mrs Carr. Ich erholte mich einen Augenblick und wunderte mich selbst über meine
jugendliche Dreistigkeit. Dann holte ich tief Luft und hob den Blick. Weiß, Stuck, vier Stockwerke – was für eine Verschwendung, dachte ich bissig, denn schließlich wusste jeder, dass diese Frauen eigentlich nur im Untergeschoss lebten – es war, ganz objektiv gesehen, ein höchst elegantes Haus. Aber mittlerweile machte mich das nicht mehr neidisch, sondern nur noch ein wenig wehmütig. Und nicht so sehr wegen des Hauses, sondern eher wegen der ganzen Art zu leben. Natürlich hatte ich davon geträumt, eine ganz »normale« Familie zu haben. Natürlich hätte ich gerne einen Ehemann, ein paar Kinder, ein schönes Haus gehabt, aber das Leben hatte sich anders entschieden. Und gelegentlich musste ich das Gefühl in mir ersticken, dass es mich unfair behandelt hatte. Ich riss mich zusammen, aber nachdem ich die Vordertreppe hinaufgegangen und auf die Klingel gedrückt hatte, merkte ich erschreckt, dass Tränen in meinen Augen brannten. Würde ich immer dieselbe bleiben?, fragte ich mich. Die berufstätige unverheiratete Frau, die mit dem Farbfächer in der Handtasche und den Stiefeln, die neue Absätze brauchten, in ihrem fünf Jahre alten Mantel darauf wartete, dass ihr eine Mrs Carr oder so ähnlich die Tür aufmachte?
    Das tat sie wenige Augenblicke später, noch in einer pinkfarbenen Jacke und Sonnenbrille, offenbar hatte sie ihre Kinder zur Schule gefahren und war eben erst zurückgekommen. Die Einkaufstasche einer teuren Boutique baumelte an ihrem Arm.
    »Ach, Sie sind es. Ich bin buchstäblich in dieser Sekunde nach Hause gekommen.« Sie schaute mich vorwurfsvoll an. »Ich musste noch mein Kleid von Bruce Oldfield abholen, für den Aids-Ball heute Abend. Hat Ihnen die andere junge Frau nicht gesagt um elf?«

    »Das hat die andere junge Frau getan«, erwiderte ich glatt. »Und es tut mir leid. Sie haben recht. Ich bin ein paar Minuten zu früh dran.«
    »Tja, jetzt sind Sie nun mal hier. Am besten kommen Sie rein.«
    Was? – Anstatt draußen auf der Treppe zu warten, während sie den Mantel auszog und eine Tasse Kaffee trank?
    »Danke«, murmelte ich.
    »Ich ziehe nur schnell den Mantel aus und setze Wasser auf. Bin gleich zurück.«
    Ich nahm an, dass ich nicht folgen sollte, und so wartete ich in dem schwarz-weiß gefliesten Eingangsflur und sah hinterher, wie sich ihr knackiger, kleiner Hintern die Treppe hinunter in die Küche im Souterrain bewegte. Ihre Absätze hallten in dem riesigen leeren Haus wider. Auf dem Pembroke-Tischchen neben mir – ganz nett, aber nicht besonders alt – standen gerahmte Familienfotos. Eine Studioaufnahme von zwei blonden Teenager-Mädchen fiel mir auf, von der Sorte, mit denen ich vor vielen Jahren unten in der Küche beim Frühstück gesessen hätte. Sie studierten jetzt vermutlich schon Kunstgeschichte in Newcastle oder waren für ein Auslandsjahr in Thailand oder so, bevor Mummy ihnen einen Job bei Sotheby’s besorgte. Und was war mit Lucinda, nachdem die beiden ausgeflogen waren? Was hatte sie jetzt für ein Leben? Maggie behauptete immer, alle ihre tollen, verheirateten Freundinnen hätten

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