War da noch was - Roman
hatte, unter Hughs Anleitung Gefallen daran gefunden, mit seinem Onkel loszuziehen, um ein paar Kaninchen für den Sonntagsbraten zu schießen, gefolgt von ein paar Fasanen und der einen oder anderen weiteren Jagd. Ich hatte eine ganz und gar unüberwindliche Abneigung gegen diese ganze Sache, die ich mir aber nicht anmerken ließ, sondern Seffys sehr berechtigtes Argument akzeptierte, dass Hühner in Käfigen viel schlimmer dran waren als ein Fasan, der ein wunderbares und ganz natürliches
Leben gehabt hatte. Ich würde niemals selbst den Abzug betätigen können. Trotzdem sah ich es gern, wenn Seffy mit seinem Onkel unterwegs war, die Jeans in die Gummistiefel gesteckt, eine ungewohnte Schiebermütze auf dem widerspenstigen, langen Haar. Ich sah es gern, wenn er voller Begeisterung und mit roten Wangen vor Anstrengung und Jagdfieber zurückkam und dabei so gesund aussah und so leuchtende Augen hatte wie der frühere Seffy. Deswegen wollte ich ihm jede Gelegenheit möglich machen.
»Gut«, sagte Laura. »Kommst du auch mit?«
»Natürlich.«
»Weil ich nämlich auch noch Luca hier habe. Carla hat eben angerufen.«
Aha. Das erklärte den spröden, angriffslustigen Ton ihrer Stimme. Die unnötigen Sticheleien. Das kam öfter vor bei uns in der Familie: Wer unter Druck stand, fing an, um sich zu schlagen.
»Das wird schon gutgehen«, beruhigte ich sie. »Keine Panik. Du hast bei seinem letzten Besuch selbst gesagt, dass er sich gebessert hat, und Seffy hatte auch kein Problem mit ihm.«
»Seffy lässt sich von keinem einschüchtern. Er hat das Selbstvertrauen von Generationen stolzer Serben geerbt. Aber die Mädchen haben immer noch Angst vor Luca, vor allem Daisy. Und ich finde es furchtbar, wenn sie die kostbaren Tage, die sie zu Hause hat, damit verbringen muss, darüber nachzudenken, wo er wohl steckt.«
»Du übertreibst«, sagte ich. »Daisy ist einfach in einem Alter, in dem jeder Junge sie nervös macht.«
Ich nickte der Blondgesträhnten mit einem aufgesetzten Lächeln zu, die soeben den Laden verließ, ohne etwas gekauft zu haben. Bevor sie die Tür hinter sich zuknallte,
schickte sie mir noch einen Blick, der deutlich machte, was sie von Verkäuferinnen hielt, die am Telefon hingen, während eine Kundin im Laden war, und die ihre Zeit vergeudeten, indem sie bereits verkaufte Gegenstände im Laden ausstellten. Tatsächlich waren sie manchmal an mich verkauft, wenn ich es nicht ertragen konnte, mich von ihnen zu trennen, oder das Gefühl hatte, dass sie nicht in gute Hände kämen. Maggie verzweifelte manchmal an mir. Ganz besonders, als ich ihr berichtete, ich hätte den hübschen Chambéry-Tisch verkaufen können, den ich in Nantes gefunden hatte, aber die Dame wollte die Beine kürzen und einen Sofatisch daraus machen. Also hatte ich mir eilig eine Geschichte ausgedacht, ich müsste meine Kollegin anrufen, um etwas über die Herkunft des Tisches zu erfahren, und dabei hatte mir das Freizeichen mitgeteilt, der Tisch sei leider schon vergeben, sei gestern erst verkauft worden.
Mir Geschichten ausdenken. Ja, das konnte ich gut, überlegte ich, als ich den Hörer auflegte und hinüberging, um die Tür zu schließen, die nach dem heftigen Zuknallen wieder aufgesprungen war. Ich hatte schon vieles erzählt im Laufe der Jahre und auch jetzt wieder gegenüber meiner Schwester. Dass ich überhaupt nicht mehr an Hal gedacht hätte. Das stimmte nicht ganz. Ich hatte in den vergangenen Jahren immer wieder überlegt, was wohl aus ihm geworden war – natürlich hatte ich das – und ob er wohl manchmal an mich dachte. Ich wusste, dass er nicht verheiratet war, und hatte mich gefragt, wie ich es fände, wenn er es wäre. Manchmal hatte ich sogar die Zeitung nach einer Anzeige durchforstet. Und, was war es nun also für ein Gefühl, Hattie? Jetzt wusste ich es ja. Ich versuchte, meine Gefühle ganz ehrlich einzuschätzen, richtete mich gerade auf und verschränkte die Arme,
während ich auf die Straße hinaussah. Ich verspürte einen Hauch von Wehmut beim Gedanken an uns damals – jung, lachend, auf dem Weg zu unseren Vorlesungen oder zu Partys in seinem zerbeulten vw-Käfer –, aber es war nur ein sentimentaler Blick zurück à la recherche du temps perdu , nicht mehr. Mehr ganz sicher nicht.
Ich wandte mich rasch um und ging zur Verkaufstheke zurück, durch die kunstvoll arrangierten Stillleben hindurch, aus denen unser Laden bestand. Eine dekorativ geschnitzte Anrichte nahm eine Wand ein, ausgestattet mit
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