War ich gut Schatz

schlichtes rotes T-Shirt. Brüste kann ich darunter nicht entdecken. Vielleicht ist es ja gar nicht Micheline, vielleicht ist es ihr kleiner Bruder? Angestrengt beobachte ich, wie das auf der anderen Straßenseite weitergeht. Was macht Sam denn jetzt? Die ist echt die Größte! Sie winkt ihr – oder ihm, und die Gestalt in Jeans und Shirt kommt zur Tür raus. Dann zeigt Sam irgendwo in eine Gartenanlage und beide lachen.
    Bestimmt hat Sam gerade behauptet, sie habe Kinder gesehen, und die wären gerade im Gebüsch verschwunden. Mist, jetzt hätte ich gerne ein Mikrofon, dann könnte ich wenigstens mithören. In guten Filmen sind Spione
schließlich auch immer verkabelt. Ich würde doch zu gerne wissen, was die beiden da gerade so reden. Es hilft alles nichts. Ich muss warten, bis Sam wieder da ist. Aber das dauert zum Glück nicht lange.
    Â»Du bist echt der Hit!«, empfange ich sie bewundernd im Auto. »Ich wünschte mir, ich hätte ein bisschen mehr von dir!«
    Â»Hat Spaß gemacht. So wie früher.«
    Â»Und? Hast du irgendwas rausgefunden? War das Micheline?«
    Â»Ja, das war sie. Na ja, eins ist sicher. Wenn Daniel was mit der hat, dann leidet er an Geschmacksverirrung. Hast du gesehen, wie die aussieht? An der ist ja gar nichts dran! Studiert übrigens auch Sport, wie dein Daniel, und ist Fußballerin.«
    Ich kann nicht so ganz glauben, was meine Freundin da gerade vom Stapel lässt.
    Â»Das war Micheline? Ganz sicher?«
    Â»Ja!«
    Â»Und woher weißt du, dass sie Sport studiert?«
    Â»Ich hab ihr gesagt, sie käme mir bekannt vor. Hab gefragt, ob sie auch Polizistin sei. Da hat sie mir von ihrem Sportstudium erzählt.«
    Â»Hm …«
    Ehrlich gesagt, weiß ich noch immer nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll. Allerdings weiß ich mit ziemlicher Sicherheit, dass Daniel nicht auf solche Hungerhaken steht. Und das nicht nur, weil ich ordentliche Rundungen an den wichtigen Stellen habe, sondern weil
ich ja weiß, welchen Frauen Daniel hinterhergafft, wenn ihm mal eine gefällt. Und die sind alle nicht zierlich und schon gar nicht jungenhaft.
    Ob ich die Nummer falsch abgetippt habe? Aber nein, das ist Blödsinn. Dann wäre es ja wirklich ein Zufall, dass ich mich ausgerechnet so vertippt habe, dass es erstens eine Frau und zweitens in der Nähe von Oberhausen getroffen hat. Und dann studiert sie auch noch Sport, so wie Daniel. So viele Zufälle kann es nicht geben. Die Nummer war richtig und Micheline ist echt. Na, wenigstens war sie komplett angezogen und stand nicht nur in ein Handtuch oder einen Bademantel gewickelt vor der Tür.
    Was, wenn Daniel seinen Geschmack geändert hat? Grübelnd schaue ich meine Freundin an. Die hat auch gleich eine Erklärung parat.
    Â»Vielleicht hat er ja wirklich nix mit der. Kann ja sein, dass du an der falschen Stelle suchst, oder?«
    Â»Wie meinst du das?«
    Â»Na, geh doch mal selbst dort gucken, wo dein Daniel sich die letzte Zeit so oft rumtreibt.«
    Stimmt, die Sache mit dem Sport und dem Schwitzen, das Fitnessstudio.
    Â»Glaub ich nicht.«
    Â»Wissen ist besser. Muss ja einen Grund haben, warum er die letzte Zeit so viel arbeiten geht. Geh ihn doch jetzt gleich besuchen. Vielleicht ist er ja wirklich im Studio. Dann hast du wenigstens Gewissheit. Und wenn er da ist, dann merkst du doch sofort, ob er sich darüber freut oder ob es ihm irgendwie unangenehm ist.«

    Das ist allerdings wahr. Daniel geht die letzte Zeit wirklich sehr oft arbeiten, eigentlich täglich … Das war mal anders. Früher haben ihm drei Tage die Woche gereicht. Und die Zeiten hat er so gelegt, dass wir trotzdem möglichst viel Zeit miteinander verbringen konnten. Aber das ist schon lange vorbei. Ich habe immer noch Urlaub, damit könnte ich meinen Besuch im Studio gut erklären.
    Ob er sich darüber freuen wird?

14 Daniel schafft es immer, in kürzester Zeit im Mittelpunkt zu stehen
    Eigentlich konnte ich das Fitnessstudio noch nie leiden. Erstens, weil ich einfach kein Typ dafür bin, und zweitens, weil Daniel viel zu viel Zeit dort verbringt. Hätte er die Zeit stattdessen mit Lernen verbracht, dann hätte er jetzt sein Examen in der Tasche. Außerdem sind die Arbeitszeiten in diesem Studio wirklich nicht gerade beziehungstauglich. Teilweise fängt Daniel dann an zu arbeiten, wenn ich nach Hause komme. Und jedes zweite Wochenende ist auch