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War ich gut Schatz

Titel: War ich gut Schatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Russo Andrea
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wenn sein Kissen drin liegt.«
    Das Kissen habe ich nicht mit hochgebracht, ich habe es bei Adele ins Bad gelegt. Und eigentlich wollte ich es
längst gewaschen haben, da es vor Schmutz schon fast stand.
    Â»Helmut liebt dieses Kissen. Es ist sein Ein und Alles. Damit bekommst du ihn überallhin. Auch ins Auto, falls das mal nötig sein sollte. Ich hab ganz vergessen, dir das zu sagen, tut mir leid.«
    Â»Och, nicht so schlimm …«
    Â 
    Gut zu wissen, dass Helmut mit seinem blauen Kissen zu bestechen ist. Trotzdem irgendwie ein komisches Gefühl, so einfach in Adeles Wohnung hineinzuspazieren. Helmut wirkt auch ganz verwirrt und schnüffelt überall rum. Wahrscheinlich hofft er, Adele irgendwo zu finden. Das Kissen sieht nicht nur sehr mitgenommen aus, es stinkt auch fürchterlich.
    Vorsichtig wickele ich es in eins von Adeles Badehandtüchern und klemme es mir unter den Arm. Jetzt brauche ich nur noch die lange Stricknadel, damit Adele sich wieder unter ihrem Gips damit kratzen kann. Die finde ich tatsächlich im Schrank neben dem Bücherregal. Stricken ist eine Gabe, mit der ich leider überhaupt nicht gesegnet wurde. Genauso wie der ganze andere Rest, der irgendwas mit Stoff, Wolle oder Nähgarn zu tun hat. Niemals würde ich zum Beispiel auf den Gedanken kommen, kaputte Socken zu stopfen. Die wandern direkt in die Tonne. Auch Hosen oder Röcke kürzen und umnähen ist nicht mein Ding. Die werden dann in der Regel schief, deswegen bringe ich sie gleich zum Schneider. Mir reicht es, dass ich einen Knopf annähen kann, wenn der irgendwo abplatzt.
Gerade deswegen bewundere ich Menschen, die aus mehreren Knäueln Wolle wahre Wunderwerke erschaffen.
    Adele scheint so ein Fall zu sein. In ihrem Schrank befinden sich nicht nur Stricknadeln in den verschiedensten Stärken, ich finde darin auch einen wunderschönen, grob gestrickten Pulli, dem nur noch die Ärmel fehlen. Der Pulli sieht riesig aus und dürfte viel zu groß für die zarte Adele sein. Für wen sie den wohl gestrickt hat? Auf jeden Fall ist er sehr schön und kuschelig. Genau das Richtige für mich, wo ich doch so leicht friere. Ich gehe teilweise sogar im Sommer mit Wollsocken ins Bett. Ob Adele auch mal für mich stricken würde? Bestimmt ist ihr langweilig, wenn sie wieder zu Hause ist. Großartig rumlaufen wird sie ja dann nicht können. Dann hat sie dafür eigentlich genügend Zeit. Aber wahrscheinlich wird sie sich in ihre vielen Bücher vertiefen.
    Das Bücherregal zieht sich fast über die ganze Wand. Ob sie die wirklich schon alle gelesen hat? Neben einem Faible für französische Literatur scheint sie auch auf Philosophen zu stehen. Katharina hätte wahrscheinlich eine Menge Spaß, wenn sie die ganzen Bücher hier sehen würde. Die zitiert ja auch immer mal gerne den einen oder anderen Philosophen. Schopenhauer, Adorno, Sartre, Camus. Wann habe ich das letzte Mal ein Buch gelesen? Und welches war das? Zu meiner eigenen Schande muss ich gestehen, dass es ein Kochbuch gewesen ist. Ich lese die Dinger wie andere Leute Romane, und das, obwohl ich mal Germanistik studiert habe.
    Ich muss mir wirklich mal wieder mehr Zeit für mich
nehmen und es mir mit einem guten, anspruchsvollen Buch gemütlich machen. Mit Schopenhauer und Camus habe ich mich mal an der Uni beschäftigt. Adorno wollte ich immer mal lesen, bin aber irgendwie nie dazugekommen. Ob Adele mir eins ausleiht? Ich ziehe das nächstbeste aus dem Regal: Minima Moralia. Das hört sich doch irgendwie interessant an. Neugierig schlage ich es auf und ohne darüber nachzudenken, lese ich die Widmung, die in einer geradlinigen Handschrift gleich auf der ersten Seite steht:
    Â 
    September 1997
    Für dich, meine Liebe,
zwei Zitate von einem deiner Lieblingsphilosophen:
»Es gibt kein richtiges Leben im falschen.«
&
»Nur der liebt, wer die Kraft hat, an der Liebe festzuhalten.«
In Gedanken bin ich immer bei dir!
    Â 
    In Liebe
Helmut
    Â 
    Oh je, das war nur für Adele bestimmt. Schnell klappe ich das Buch wieder zu, aber es hilft nichts. Die Worte haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Nur der liebt, wer die Kraft hat, an der Liebe festzuhalten …
    Â»Was hältst du davon, Helmutchen?« Fragend gucke ich auf den Pudel, der sich sichtlich wohlfühlt auf dem blauen Kissen zu meinen Füßen. Und dann klappe ich das Buch
noch einmal auf. In Liebe, Helmut

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