Warcraft - 2
nicht vor seinem Anblick zurück.
»Weil ich dich als Baby kannte. Du warst wie ein kleiner Bruder für mich. Und als … als Faralyn kurz darauf starb, warst du der einzige kleine Bruder, den ich noch hatte. Ich habe gesehen, was sie dir an-taten, und ich hasste es. Ich wollte dir helfen, deine Freundin sein.«
Jetzt sah sie doch weg. »Und ich mag unseren Herrn ebenso wenig wie du.«
»Hat er dich verletzt?« Die Wut, die er spürte, überraschte Thrall.
»Nein, nicht wirklich.« Eine Hand griff nach ihrem Handgelenk und massierte es sanft. Unter dem Ärmel sah Thrall den dunklen Schatten einer verheilenden Prellung. »Nicht körperlich. Es ist komplizierter.«
»Sag es mir.«
»Thrall, die Zeit ist …«
»Sag es mir!«, brüllte er. »Du bist meine Freundin, Taretha. Zehn Jahre lang hast du mir geschrieben und mich zum Lächeln gebracht.
Ich wusste, dass jemand weiß, wer ich wirklich bin, nicht nur … irgendein Ungeheuer im Gladiatorenring. Du warst mein Licht in der Dunkelheit.« Mit all der Zärtlichkeit, die er aufbringen konnte, legte er seine Hand vorsichtig auf ihre Schulter. »Sag es mir«, drängte er erneut mit sanfter Stimme.
Ihre Augen schimmerten feucht. Erstaunt sah er zu, als eine Flüssigkeit daraus über ihre Wangen lief.
»Ich schäme mich so,« flüsterte sie.
»Was passiert mit deinen Augen?«, fragte Thrall. »Und was soll
›schämen‹ bedeuten?«
»O Thrall«, sagte sie mit belegter Stimme und wischte sich über die Augen. »Das nennt man Tränen. Sie kommen, wenn wir traurig sind, wenn unsere Seele krank ist. Es ist, als sei unser Herz so voller Schmerz, dass er nirgendwo anders hin kann.« Taretha atmete zitternd ein. »Und Scham … das ist, wenn du etwas getan hast, das gegen alles steht, was du je zu sein glaubtest, und wenn du dir wünschst, niemand würde je davon erfahren. Aber da es jeder weiß, sollst auch du es erfahren. Ich bin Blackmoores Mätresse.«
»Was bedeutet das?«
Sie sah ihn traurig an. »Du bist so unschuldig, Thrall, so rein. Aber eines Tages wirst du es verstehen.«
Plötzlich erinnerte sich Thrall an prahlerische Unterhaltungen, die er auf dem Übungsplatz mit angehört hatte und verstand, was Taretha meinte. Aber er schämte sich nicht für sie, sondern fühlte nur Wut darüber, dass Blackmoore noch tiefer gesunken war, als selbst er es geglaubt hätte. Er wusste, wie hilflos man gegenüber Blackmoore war, und Taretha war so klein und so zierlich, dass sie noch nicht einmal kämpfen konnte.
»Komm mit mir«, drängte er.
»Ich kann nicht. Was würde nach meiner Flucht mit meiner Familie geschehen und … nein.« Impulsiv ergriff sie Thralls Hände.
»Aber du kannst es. Bitte geh jetzt. Ich werde mich besser fühlen, wenn ich weiß, dass wenigstens du ihm entkommen bist. Sei frei für uns beide.«
Er nickte, war unfähig zu sprechen. Er hatte gewusst, dass er sie vermissen würde, aber nach ihrem ersten wirklichen Gespräch be-rührte ihn ihr Verlust noch viel schmerzlicher.
Sie wischte noch einmal über ihr Gesicht und sprach mit festerer Stimme. »Der Sack ist voller Essen und einigen Wasserschläuchen.
Ich habe ein Messer für dich stehlen können. Ich habe es nicht gewagt, etwas zu stehlen, das man vielleicht bemerken würde. Und zuletzt habe ich dies für dich.« Sie neigte ihren Kopf und entfernte eine schmale silberne Kette von ihrem schlanken Hals. Daran hing eine Mondsichel. »Nicht weit von hier entfernt befindet sich ein alter Baum, den der Blitz gespalten hat. Blackmoore lässt mich dort spa-zieren gehen, wenn ich es wünsche. Zumindest dafür bin ich dankbar. Wenn du in der Nähe bist und Hilfe brauchst, lege diese Halskette in den Stamm des alten Baums und ich werde dich in dieser Höhle treffen, um dir zu helfen.«
»Tari …« Thrall sah sie gepeinigt an.
»Beeil dich.« Sie warf einen ängstlichen Blick zurück nach Durnholde. »Ich habe eine Ausrede für meine Abwesenheit, aber sie ist glaubwürdiger, wenn ich so schnell wie möglich zurückkehre.«
Sie erhoben sich und sahen einander unsicher an. Bevor Thrall begriff, was geschah, legte Tari ihre Arme so weit es ging um seinen massigen Oberkörper und presste ihr Gesicht gegen seinen Bauch.
Thrall spannte sich an. Eine solche Bewegung kannte er sonst nur als Versuch eines Angriffs, aber obwohl er noch nie so berührt worden war, begriff er es in diesem Augenblick als Zeichen tiefer Zuneigung. Er folgte seinen Instinkten und strich vorsichtig über ihren Kopf.
»Sie
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