Warcraft - 2
nennen dich ein Ungeheuer«, sagte sie, »aber sie sind die Ungeheuer, nicht du. Leb wohl, Thrall.«
Taretha drehte sich um, hob ihren Rock leicht an und rannte nach Durnholde zurück. Thrall sah ihr nach, bis sie in der Dunkelheit verschwunden war. Dann legte er die silberne Halskette vorsichtig in sein Bündel und verstaute es im Sack.
Dann hob er das schwere Bündel – es musste fast über Taris Kräfte gegangen sein, es so weit zu schleppen – auf und warf es über seine Schulter. Und wenig später marschierte der ehemalige Sklave mutig seinem ungewissen Schicksal entgegen.
SIEBEN
Thrall wusste, dass Taretha ihm die Standorte der Lager verraten hatte, damit er sie meiden konnte. Sie wollte, dass er nach den freien Orks suchte. Er wusste jedoch nicht, ob diese »freien Orks« überhaupt noch lebten oder nur der Wunschphantasie irgendeines alten Kriegers entsprangen. Er hatte unter Jaramins Anleitung Karten studiert, also wusste er, wie man die las, die Tari ihm gegeben hatte.
Und er machte sich auf den direkten Weg zu einem der Lager auf.
Er suchte nicht das aus, das Durnholde am nächsten gelegen war.
Wahrscheinlich hatte Blackmoore Alarm ausgerufen, nachdem Thralls Verschwinden entdeckt worden war. Laut Karte gab es eines, das einige Meilen von der Festung entfernt lag, in der Thrall aufgewachsen war, und dieses wollte er besuchen.
Er wusste nur wenig über die Lager und diese spärlichen Informa-tionen stammten von Menschen, die sein Volk hassten. Während er ausdauernd und unermüdlich auf sein Ziel zuging, überschlugen sich seine Gedanken. Wie würde es sein, so viele Orks an einem Ort zu sehen? Würden sie seine Sprache verstehen? Oder war sie durch seinen menschlichen Akzent so unkenntlich geworden, dass er nicht in der Lage sein würde, auch nur die einfachste Unterhaltung zu führen? Würden sie ihn herausfordern? Er wollte nicht gegen sie kämpfen, aber alles deutete darauf hin, dass die Orks harte, stolze und unbeugsame Krieger waren. Er war ein ausgebildeter Kämpfer, aber würde das ausreichen, um gegen diese legendären Wesen zu bestehen? Konnte er sich lange genug gegen sie behaupten, um sie davon zu überzeugen, dass er nicht ihr Feind war?
Meile um Meile legte er zurück. Ab und zu sah er zu den Sternen empor, um seine Position zu bestimmen. Er hatte die Navigation nie gelernt, aber eines der geheimen Bücher, die Tari ihm schickte, hatte sich mit den Sternen und deren Koordinaten beschäftigt. Thrall hatte es eingehend studiert und jede Information in sich aufgenommen, die es enthielt.
Vielleicht würde er dem Clan begegnen, der das Emblem des wei-
ßen Wolfs auf blauem Grund trug. Vielleicht würde er seine Familie finden. Blackmoore hatte ihm erzählt, er sei nicht weit von Durnholde gefunden worden, also war es nicht unwahrscheinlich, dass Thrall Angehörige seines Clans finden würde.
Aufregung durchflutete ihn. Es fühlte sich gut an.
Er lief die ganze Nacht und ruhte sich erst aus, als die Sonne aufging. So wie er Blackmoore kannte, suchten die Männer des Generalleutnants bereits nach ihm. Eventuell setzten sie sogar eine ihrer berüchtigten Flugmaschinen ein. Thrall hatte nie eine gesehen und insgeheim ihre Existenz bezweifelt. Aber wenn es sie gab, würde Blackmoore sie verwenden, um seinen geflohenen Champion wie-derzufinden.
Thrall dachte an Tari und hoffte verzweifelt, dass niemand entdeckte, welche Rolle sie bei seiner Flucht gespielt hatte.
Blackmoore glaubte, dass er in seinem ganzen Leben noch nie so zornig gewesen war, und das sagte eine Menge aus. Das Glockenge-läut hatte ihn geweckt. Er schlief allein in dieser Nacht, weil Taretha behauptete, krank zu sein. Entsetzt hatte er vor seinem Fenster wü-
tend rote Flammen gesehen und Rauch über dem Festungshof. Er warf sich Kleidung über und mischte sich unter die übrige Bevölke-rung von Durnholde, die verzweifelt versuchte, das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Es dauerte einige Stunden, und als die erste zaghafte Morgenröte den Himmel zu erhellen begann, war nichts mehr übrig außer rußgeschwärzten Ruinen.
»Es ist ein Wunder, dass niemand verletzt wurde«, sagte Langston und wischte sich über seine Stirn. Sein bleiches Gesicht war schmutzig von Asche und Rauch. Blackmoore nahm an, dass er selbst nicht besser aussah. Alle Anwesenden waren dreckig und verschwitzt.
Die Diener würden einiges an Wäsche aufzuarbeiten haben.
»Sogar die Tiere sind unverletzt«, sagte Tammis und trat neben sie. »Sie
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