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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
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schlüpfe, sehe ich, wie M mit den noch verbliebenen Toten abdreht und sich zurückzieht. Im Laufen verändert sich plötzlich ihr Gang. Sie stolpern nicht mehr und rennen wie Lebende. Nicht so schnell wie ich, nicht so elegant, aber zielgerichtet. Die Wachen zögern, das Feuer stockt. »Was zum Teufel…?«, murmelt einer von ihnen.
    Im Eingang steht ein Mann mit einem Klemmbrett und einem Heft. Ein Einwanderungsoffizier, bereit, meinen Namen zu notieren und mich einen Stapel Antragsformulare ausfüllen zu lassen, bevor er mich aller Voraussicht nach wieder auf die Straße setzt. Jahrelang haben die Toten darauf gebaut, dass dieser Mann sie mit den hilflosen Nachzüglernversorgen würde, die wir draußen in den Ruinen gefressen haben. Er tritt auf mich zu, blättert das Heft durch, stellt keinen Augenkontakt her. »Knappe Sache, was, Freund? Ich muss Sie …«
    »Ted! Guck dir diesen Scheiß an!«
    Ted schaut auf, späht durch das offene Tor und sieht seine Kameraden wie vom Donner gerührt dastehen. Er wirft mir einen Blick zu. »Warten Sie hier.«
    Ted läuft hinaus, bleibt neben den Wachen stehen und starrt den unheimlich lebendigen Zombies nach, die wie richtige Menschen in den Straßen verschwinden. Ich stelle mir die Gesichter der Männer vor, das mulmige Gefühl in ihren Mägen, weil sich auf einmal die Erde unter ihren Füßen dreht.
    Für den Augenblick unbeobachtet, wende ich mich ab und renne los. Ich renne durch den dunklen Korridor auf das Licht am anderen Ende zu und frage mich, ob das hier ein Geburtskanal oder der Tunnel in den Himmel ist. Komme oder gehe ich? So oder so ist es zu spät, noch umzukehren. Versteckt im Dämmer eines roten Abendhimmels, trete ich in die Welt der Lebenden ein.

Die Sportarena, die Julie ihr Zuhause nennt, ist unvorstellbar groß. Vielleicht ist es eine dieser Mega-Doppel-Event-Locations, die zu einer Zeit gebaut wurden, als die Welt keine größeren Probleme hatte als nicht genug Platz für all die Partys. Von draußen sieht man nicht mehr als ein Mammut-Oval aus strukturlosen Mauern, eine Arche aus Beton, die nicht mal Gott zum Schwimmen bringen könnte. Der Innenraum jedoch legt die Seele des Stadions offen: chaotisch, aber verzweifelt um Ordnung bemüht, als hätte ein modernistischer Architekt die ausufernden Slums Brasiliens entworfen.
    Sämtliche Tribünen wurden abgerissen, um Platz für ein Gitter aus Miniaturwolkenkratzern zu schaffen, rachitische, unnatürlich hoch aufgeschossene, dem knappen Grund geschuldete dürre Gebäude. Ihre Mauern sind ein Sammelsurium aus geretteten Baustoffen – einer der höheren Türme hat ein Fundament aus Beton und wird unsolider, je höher es geht: von Stahl über Plastik bis hin zu einer gewagten neunten Etage aus feuchten Spanplatten. Die meisten der Gebäude sehen aus, als ob sie die erstbeste Brise zum Einsturz bringen könnte, doch die ganze Stadt wird von einemstarren Netz aus Kabeln gestützt, die von Turm zu Turm laufen und das Gitter zusammenschnallen. Die Innenwände des Stadions überragen alles, sie sind mit gekappten Rohren, Leitungen und Baustahlspitzen übersät, die wie Bartstoppeln aus dem Beton sprießen. Unterversorgte Straßenlaternen spenden gedämpftes orangefarbenes Licht und betten diese Schneekugel-Stadt in Schatten.
    Kaum bin ich aus dem Tunnel getreten, setzt der überwältigende Geruch der Lebenden meine Nasenhöhlen in Brand. Er ist überall, so süß und stark, dass es beinahe weh tut; ich habe das Gefühl, in einem Parfumflakon zu ertrinken. Aber inmitten dieses dicken Dunsts kann ich Julie wittern. Ihr unverkennbarer Geruch sticht aus dem Lärm, ruft mich wie eine Stimme unter Wasser. Ich folge ihm.
    Die Straßen haben die Breite von Gehsteigen, schmale Asphaltbänder, über den alten Teppichrasen gegossen, der wie grellgrünes Moos aus jeder ungepflasterten Ritze späht. Auf den Straßenschildern stehen keine Namen. Statt Staaten, Präsidenten oder Baumarten aufzuzählen, zeigen sie einfach weiße Symbole – Apfel, Ball, Katze, Hund – wie ein Buchstabierbuch für Kinder. Überall ist Schlamm, er macht den Asphalt rutschig und häuft sich in allen Winkeln an, zusammen mit dem Geröll des täglichen Lebens: Limodosen, Zigarettenkippen, gebrauchten Kondomen und leeren Patronenhülsen.
    Ich versuche, nicht so zu glotzen wie der tölpelhafte Tourist, der ich bin, aber etwas, das über Neugier hinausgeht, lässt meine Aufmerksamkeit an jedem Bordstein und jedem Hausdach hängenbleiben. So fremd mir

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