Warme Welten und Andere
hab’ seinen Fuß berührt! Ooh, aaah, ich hab’ ihn BERÜHRT!«
Selbst die Herrschaften da oben im GTX-Hochhaus lieben die Götter – auf ihre eigene Art und aus ihren eigenen guten Gründen.
Das morsche Mädchen da auf der Straße, das liebt einfach nur so. Zehrt von dem wunderbaren Leben, das sie führen, von ihren mysterioso-Problemen. Nie hat ihr jemand von Sterblichen erzählt, die einen Gott lieben und als Baum oder als Seufzer im Wind enden. Und in Millionen Jahren käme sie nicht auf den Gedanken, ihre Götter könnten ihre Liebe erwidern.
An eine Mauer gequetscht, sieht sie nun zu, wie die Götterknaben vorbeiziehen. Sie bewegen sich auf einer abgesperrten, freien Fläche. Eine Holokamera fährt über ihnen hin und her, aber nie fällt ihr Schatten auf sie. Die Ausstellungsbildschirme des Kaufhauses sind wie durch ein Wunder von Menschen nicht verstellt, während die Götter einen Blick darauf werfen, und ein hinkender Bettler ist plötzlich allein auf der freien Fläche. Sie geben ihm eine Marke. »Aaaaah!« kommt’s aus der Menge.
Jetzt läßt einer von ihnen irgendeinen fantastischen neuen Zeitgeber aufblitzen, und sie trotten los, um eine Pendelbahn zu nehmen, ganz wie gewöhnliche Menschen. Der Zug hält für sie – noch ein Wunder. Die Menge seufzt. Die Götter sind verschwunden.
Unser Mädchen steht immer noch wie festgenagelt an der Mauer, während Schutzpersonal und Holokam-Ausrüstung den Schauplatz verlassen. Die Anbetung schwindet aus ihrem Gesicht. Und das ist gut, denn so kannst du sehen, daß sie Fräulein Häßlich ist. Der Häßlichsten eine. Ein kolossales Denkmal für Drüsenfehlfunktion. Kein Chirurg würde sie anrühren. Wenn sie lächelt, beißt ihr Unterkiefer – der ist purpurrot – ihr fast das linke Auge raus. Sie ist noch sehr jung, aber wen interessiert das schon?
Die Menge stößt sie nun voran und gönnt dir vereinzelte Blicke auf ihren vermurksten Leib, ihre ungleichlangen Beine. An der Ecke streckt sie sich, um dem Zug, in dem die Götter sitzen, eine letzte Aufwallung ihrer Liebe nachzusenden. Dann fällt ihr Gesicht in seinen üblichen Ausdruck trüben Schmerzes zurück, und sie torkelt auf das bewegte Gehband, stößt mit anderen zusammen. Das Gehband kreuzt ein anderes. Sie wechselt über, stolpert, fällt an das Notgeländer. Schließlich gelangt sie in einen kleinen Park. Die Sportschau ist im Gange, ein Basketballspiel in 3-Di läuft über ihrem Kopf ab. Aber sie drückt sich nur auf eine Bank und kauert dort, während ein geisterhafter Freiwurf an ihrem Ohr vorbeisaust.
Danach passiert gar nichts; nur ein paar verstohlene Hand-zuMund-Bewegungen, die nicht einmal die anderen Leute auf der Bank interessieren.
Aber du willst was über die Stadt hören? So gewöhnlich soll dort alles sein, wo es doch die ZUKUNFT ist?
Ah, da gibt es schon so manches, das dich munter machen würde – und so weit ist diese Zukunft auch gar nicht weg. Aber kümmern wir uns heute mal nicht um das Sci-Fi-Zeugs, wie zum Beispiel die Holovisionstechnologie, die Fernsehen und Radio ins Museum verwiesen hat. Oder das weltweite Trägerfeld, das von Satelliten aufgespannt wird und Kommunikations-und Verkehrssysteme auf dem ganzen Globus kontrolliert. Abfallprodukte der Asteroiden-Bohrungen; lassen wir das. Wir beobachten das Mädchen.
Ein bißchen was zum Naschen sollst du haben. Vielleicht ist es dir an der Sportschau oder auf den Straßen schon aufgefallen? Keine Reklame, keine Werbung.
Richtig. KEINE REKLAME. Da schlackern dir die Ohren?
Schau dich nur um! Kein Anschlagbrett, kein Plakat, kein Slogan, Spruchband, Lautsprecher, keine Himmelschrift, kein Neongeblitze in dieser ganzen vergnügten Welt. Hersteller-, Produktnamen? Nur auf den tickenden kleinen Guckschirmen vor den Läden, und das kannst du wohl kaum Werbung nennen. Wie kommt dir das vor?
Denk nur darüber nach. Das Mädchen sitzt noch immer dort.
In der Tat sitzt sie genau am Fuß des GTX-Hochhauses. Schau hinauf und du siehst das Funkeln der Kugel ganz oben, ganz oben zwischen den Kuppeln von Götterland. Im Innern dieser Kugel ist ein Vorstandszimmer. Hübsches Bronzeschild draußen an der Tür: Global Transmission Corporation – nicht, daß das was bedeuten würde.
Ich weiß zufällig, daß sechs Menschen in diesem Raum sind. Fünf von ihnen, anatomisch gesehen, Männer, und den sechsten kann man sich nicht gerade leicht als Mutter vorstellen. An ihnen gibt es absolut nichts Bemerkenswertes. Einmal hat man
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