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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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frohlockt.
    »Und nie, niemals darfst du jemandem sagen, was du machst.« Cantles Augen bohren nach dem Gehirn hinter diesem verführerischen Kind.
    »Natürlich fragst du dich, warum wir dich um so etwas bitten. Das hat einen sehr ernsten Grund. All diese Produkte, die die Menschen benutzen, Nahrungsmittel und Hygieneartikel und Kocher und Staubsauger und Kleider und Autos – die werden alle von Menschen gemacht. Jemand hat Jahre harter Arbeit geopfert, sie zu entwickeln und herzustellen. Ein Mann hat zum Beispiel eine schöne neue Idee für ein besseres Produkt. Er muß sich eine Fabrik verschaffen und Maschinen und muß Arbeiter anstellen. Und nun. Was passiert, wenn die Leute einfach nichts von diesem Produkt hören? Du sagst, es spricht sich rum; aber das ist viel zu langsam und unzuverlässig. Vielleicht stolpert nie jemand über sein neues Produkt oder findet heraus, wie gut es ist, hm? Und dann machen er und all die Menschen, die für ihn gearbeitet haben, bankrott, stimmt’s? Also muß es, Delphi, irgendeine Möglichkeit geben, einer großen Zahl von Menschen ein gutes, neues Produkt zu zeigen, richtig? Wie? Indem wir die Leute sehen lassen, wie du es benutzt. Du gibst dem Mann, der sich abgerackert hat, eine Chance.«
    Delphis kleiner Kopf nickt in glücklicher Erleichterung.
    »Ja, Sir, jetzt verstehe ich – aber, Sir, es klingt so vernünftig, warum erlaubt man nicht…«
    Cantle lächelt traurig.
    »Es handelt sich da um eine Überreaktion, meine Liebe. Die Geschichte bewegt sich in Pendelschwüngen. Die Menschen reagieren stets übermäßig und erlassen strenge, unrealistische Gesetze, die versuchen, einen wesentlichen sozialen Prozeß auszumerzen. Wenn das geschieht, müssen diejenigen, die verstehen, was vorgeht, eben so gut weitermachen, wie sie können, bis das Pendel in die andere Richtung schwingt.« Er seufzt. »Die Höker-Gesetze sind schlechte, unmenschliche Gesetze, Delphi, trotz ihrer guten Absicht. Würden sie strikt befolgt, würden sie große Zerstörung anrichten. Unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft würden zusammenbrechen. Wir würden wieder in Höhlen hausen!« Sein inneres Feuer wird spürbar; würden die Höker-Gesetze strikt durchgeführt, würde er wieder an einer Datenbank sitzen und Knöpfe drücken.
    »Es ist unsere Pflicht, Delphi. Unsere heilige Pflicht der Gesellschaft gegenüber. Wir verletzen das Gesetz nicht. Du wirst das Produkt benutzen. Aber die Menschen würden es nicht verstehen, wenn sie es erführen. Sie würden sich aufregen. Also mußt du sehr, sehr aufpassen, daß du nichts von alledem je ausplauderst.«
    (Und jemand wird sehr, sehr sorgfältig Delphis Sprechkanäle überwachen.)
    »Jetzt sind wir uns einig, nicht wahr? Die kleine Delphi hier«
    – Er spricht zu der unsichtbaren Kreatur nebenan – »die kleine Delphi wird ein wunderbares, aufregendes Leben führen. Sie wird ein Mädchen sein, auf das die Menschen schauen. Und sie wird feine Produkte benutzen und den guten Menschen helfen, die sie herstellen. Und die Leute werden froh sein, auf diese Weise von so guten Produkten zu erfahren. Du wirst einen echten sozialen Beitrag leisten.«
    Delphi vernimmt’s mit entzückender Würde.
    »Aber, Sir, wie werde ich…?«
    »Mach dir um nichts Sorgen. Menschen werden hinter dir stehen, deren Verantwortung es sein wird, die würdigsten Produkte für dich auszuwählen. Du mußt nur tun, was sie sagen. Sie werden dir zeigen, welche Kleider du auf Partys tragen, welche Sonnenautos und Sehgeräte du kaufen wirst, und so weiter. Mehr hast du nicht zu tun.«
    Partys – Kleider – Sonnenautos! Delphis rosiger Mund öffnet sich. In P. Burkes ausgehungertem, siebzehn Jahre altem Kopf treibt die Ethik der Produktförderung weit von dannen.
    »Jetzt sag mir in deinen eigenen Worten, worin deine Arbeit besteht, Delphi.«
    »Ja, Sir. Ich – ich soll auf Partys gehen und Dinge kaufen und sie benützen, wie mir gesagt wird, um den Menschen zu helfen, die in Fabriken arbeiten.«
    »Und was ist besonders wichtig?« »Oh – ich darf niemandem was sagen, über die Dinge.«
    »Richtig.« Mr. Cantle hat noch eine kleine Rede parat, die er einsetzt, wenn der Hirnleiher, nun, Unreife erkennen läßt. Aber hier spürt er nichts als eifrige Bereitschaft. Diese andere Rede macht ihm selbst keinen großen Spaß.
    »Glücklich das Mädchen, das sich nach Lust und Laune vergnügen kann und dabei anderen Gutes tut, nicht wahr?« Er strahlt in die Runde. Sogleich rücken Stühle.

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