Warme Welten und Andere
kommt von Delphi das Echo, nach der charmanten kleinen, kaum wahrnehmbaren Verzögerung. Sie bemerkt, wo er seine Hand hingelegt hat, und tut einen Schritt zurück.
»Sie is nu mal kühl, aber ‘s is nich ihr Fehler«, sagt müde ein anderer Mann. Er wirft sein graues Haar zurück. »Vielleicht lassen sie uns ein paar von den saftigen Aufnahmen drin.«
Delphi sieht zu, wie sie abziehen und die Spulen in den GTX-Transporter verladen. Ihre Hand wandert über die Brust, die der Mann berührt hatte. Weit weg, in der Erde unter Carbondale, hat P. Burke etwas Neues über ihren Delphi-Körper erfahren.
Über den Unterschied zwischen Delphis Körper und ihrem eigenen häßlichen Kadaver.
Von Anfang an hat sie gewußt, daß Delphi praktisch keinen Geruchs- und Geschmackssinn hat. Man hat ihr das erklärt: nur soundsoviel Bandbreite steht zur Verfügung. Man braucht ein Sonnenauto ja nicht schmecken zu können, oder? Und eine gewisse allgemeine Undeutlichkeit von Delphis Berührungsempfindungen – auch damit ist sie vertraut. Stoffe, die P. Burkes eigene Haut kitzeln würden, fühlen sich für Delphi wie ein kühler Plastikfilm an.
Aber die leeren, völlig gefühllosen Stellen. Sie brauchte eine Weile, bis sie sie entdeckte. Delphi hat nicht viel Zeit für sich selbst. Investitionen ihrer Größenordnung haben nun mal keine Privatsphäre. Also entdeckt sie erst allmählich, daß es gewisse klar umrissene Stellen gibt, wo ihr biestiger P. Burke-Körper Dinge fühlt, die Delphis hübsches Fleisch nicht fühlt. Hmm! Wieder diese Kanalbreite, denkt sie – und vergißt vor lauter Seligkeit, Delphi zu sein.
Du fragst, wie ein Mädchen so etwas vergessen kann? Hör zu! P. Burke ist so weit wie nur irgend möglich von dem entfernt, was man sich unter einem Mädchen vorstellt. Sie ist weiblichen Geschlechts, ja – aber für sie ist Sex ein Wort, das S-C-H-M-E-R-Z buchstabiert wird. Eine Jungfrau ist sie zwar nicht mehr. Die Einzelheiten erspar ich dir lieber; sie war ungefähr zwölf und die beiden Freak-Fans, die sie mit auf die Bude nahmen, waren stern-hagelvoll besoffen. Als sie wieder nüchtern waren, schmissen sie sie raus, und sie trug ein kleines Loch in ihrer Anatomie und ein tödliches an anderer Stelle davon. Danach kaufte sie sich ihren ersten und letzten Schuß, und das ungläubige Gelächter des Verkäufers ist ihr noch im Ohr.
Verstehst du nun, warum Delphi grinst, während sie ihren köstlichen kleinen Körper in der Sonne rekelt, die sie nur schwach spürt. Sie strahlt, sagt: »Bitte, ich bin jetzt bereit.«
Bereit wozu? Nach Barcelona zu kommen, wie der säuerliche Mann gesagt hat, wo jetzt sein Naturfilm in der Amateursektion des Festivals starken Anklang findet. Ein Treffer! Zwar wurden etliche Bilder von zerstörter Landschaft und toten Fischen herausgeschnitten, aber wen kümmert das schon, wo doch Delphis reizendes Gesicht so sichtbar ist?
Also ist es an der Zeit für Delphis Gesicht und ihre anderen Köstlichkeiten, sich auf Barcelonas Playa Nueva sehen zu lassen. Was bedeutet, daß ihr Kanal in das EuroAf-Synchsat eingeschaltet werden muß.
Sie macht die Reise nachts, so daß der Nanosekunden-Transfer von jenem unbedeutenden Teil Delphis, der hundert Meter unter Carbondale lebt (und so aufgeregt ist vor Begeisterung, daß die Schwester sie mahnen muß, das Essen nicht zu vergessen), nicht einmal bemerkt wird. Die Umschaltung wird vorgenommen, während Delphi ›schläft‹, das heißt, während P. Burke nicht im Waldo-Kabinett sitzt. Wenn sie dann wieder eingeschaltet wird und Delphi ihre Augen öffnet, hat sich nichts geändert – oder merkst du, welche Schaltzentralen deine Telefongespräche durchlaufen?
Und nun zu dem Ereignis, das das Praline aus Colorado in die PRINZESSIN verwandelt.
Das ist wörtlich wahr, er ist ein Prinz; oder vielmehr ein Infant aus altem spanischem Geschlecht, das in der Neomonarchie wieder zu einigem Glanz gelangte. Er ist einundachtzig und hat eine Passion für Vögel – die Sorte, die man in zoologischen Gärten sieht. Jetzt stellt sich plötzlich heraus, daß er durchaus nicht arm ist. Ganz im Gegenteil; seine alte Schwester lacht ihrem Steueranwalt ins Gesicht und fängt an, die Familienhazienda zu restaurieren, während der Infant hinauswankt, um Delphi den Hof zu machen. Und die kleine Delphi beginnt, das Leben der Götter zu führen.
Was tun denn Götter so? Nun, alles, was schön ist. Aber (erinnerst du dich an Mr. Cantle?) die Hauptsache ist: Dinge. Hast du
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