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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Eindeutig war das das Zeichen zum Aufbruch.
    Joe führt sie hinaus, grinst. Der arme Tor bildet sich ein, sie bewunderten ihre Koordination.
    Hinaus in die Welt, heißt es nun für Delphi, und dazu werden neue Kanäle in Betrieb genommen. Auf der organisatorischen Seite werden Konten, Terminpläne und Rechenschaftsordner eingerichtet, Subprojekte aktiviert. Auf der technischen Seite wird die reservierte Wellenlänge freigegeben (das Trägerfeld, erinnere dich). Ein neuer Name wartet auf Delphi, ein Name, den sie nie hören wird. Es handelt sich um eine lange Kette von Binär-Ziffern, die seit jenem Tag, an dem eine gewisse wunderschöne Person nicht aufwachte, still ihre Runden in einem GTX-Speicher gedreht haben.
    Der Name tritt aus der Kreisbahn aus, tanzt von Modulation zu Modulation, saust durch Phasierung und schießt in einen Giga-Wellen-Strahl, der zu einem Synchron-Satelliten über Guatemala hinaufrast. Von dort aus fällt der Strahl wieder zwanzigtausend Meilen zurück zur Erde und formt ein alldurchdringendes Feld strukturierter Energika, die eingestimmte Kontaktpunkte über den ganzen kanadischamerikanischen Quadranten verteilen.
    Mit so einem Feld kannst du, wenn du die Kröten hast, an einer GTX-Konsole sitzen und einen eingestimmten Erzbohrer in Brasilien betätigen. Oder du könntest – sofern irgendeine schlichte Empfehlung für dich spricht (wie zum Beispiel, daß du über Wasser gehen kannst) – eine Spule in die HolokamShows des offiziellen Programms einschießen, die Tag und Nacht in jedem Haus und Schlafsaal und jeder Vergnügungsstätte laufen. Oder du könntest einen kontinentalen Verkehrszusammenbruch inszenieren. Was Wunder, daß GTX die Inputs bewacht wie ein heiliges Pfand?
    Delphis ›Name‹ erscheint als winzige analysierbare Nonredundanz im Flux, und sie wäre sehr stolz, wenn sie es wüßte. Es käme P. Burke wie Zauberei vor, für P. Burke waren selbst Robotautos immer ein Rätsel. Aber Delphi ist in keinem Sinne ein Roboter. Man mag sie einen Waldo nennen, wenn es sein muß. Tatsache ist, sie ist ein Mädchen, ein echtes, lebendiges Mädchen, dessen Gehirn sich nur an einem gesonderten Ort befindet.
    Der Sinn dieses ganzen technischen Aufwands – nicht so sehr viel technischer Aufwand, eigentlich, in dieser Gesellschaft – liegt darin, Delphi zu ermöglichen, ihre unterirdische Suite zu verlassen: ein beweglicher Kontaktpunkt, an ein allgegenwärtiges Feld angeschlossen. Und das tut sie – neunzig Pfund zartes Mädchenfleisch und -blut, mit ein paar metallischen Komponenten, so tritt sie hinaus ins Sonnenlicht, ihr neues Leben zu beginnen. Ein Mädchen mit allen Vorzügen und Diensten zu ihrer Verfügung, einschließlich einer medizinisch-technischen Eskorte. Reizend ist ihr Gang, und draußen bleibt sie erst einmal stehen und reißt angesichts des riesigen Antennensystems über ihrem Kopf die Augen auf.
    Der Umstand, daß ein Etwas namens P. Burke in den Gemächern unter der Erde zurückbleibt, hat keinerlei Bedeutung. P. Burke ist sich ihrer selbst in keiner Weise bewußt und ist glücklich wie eine Muschel in ihrer Schale. (Ihr Bett steht jetzt in dem Raum mit dem Waldo-Kabinett.) Und mitnichten ist P. Burke in diesem Kabinett; P. Burke steigt in einem fabelhaften Wildtierreservat in Colorado aus einem Hugbus, und ihr Name ist Delphi. Delphi betrachtet leibhaftige Charlais-Stiere und echte Pappeln und Espen, die sich golden vom blauen Smog abheben, und sie schreitet über echtes Gras, um von der Frau des Parkdirektors begrüßt zu werden.
    Die Frau des Direktors freut sich auf den Besuch von Delphi und ihren Freunden, und ein glücklicher Zufall will es, daß ein Holokam-Team auch gerade hier ist, um einen Film für die Naturschwärmer aufzunehmen.
    Du könntest die Geschichte jetzt selber weiterschreiben, während Delphi einige Regeln über strukturelle Interferenzen lernt, und auch lernt, wie sie mit dem kleinen Zeitrückstand umzugehen hat, der aus der vierzigtausend-Meilen-Entfernung innerhalb ihres Nervensystems resultiert. Richtig geraten – die Leute mit der gemieteten Holokam-Ausrüstung finden, daß sich die Schatten der goldenen Espen auf Delphis Flanken viel besser ausnehmen als auf einem Stier. Und mit Delphis Gesicht machen sich auch die Berge besser, wenn sie zu sehen sind. Aber die Naturfans sind nicht ganz so erbaut, wie man erwarten würde.
    »Also bis dann, in Barcelona, Kleine«, sagt der Kameramann säuerlich, während sie zusammenpacken.
    »Barcelona?«

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