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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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fuhren um die letzten felsigen Untiefen herum und sahen durch die Gischt die Türme und Schlote des äußersten Riffs.
    »Mein Gott, es bewegt sich!« Einer der Türme war nicht grau, sondern hochrot. Er schwankte, reckte sich höher. Neben ihm wuchs ein anderer auf, fiel auf den ersten. Ein Klagegeschrei aus tiefstem Eingeweide. Unter den zwei kämpfenden Säulen wogten Berge, gegen die die riesigen Wellen, die sich an ihnen brachen, winzig waren.
    Das Boot zog sich zurück, versuchte einen anderen Kanal. Dann noch einen und noch einen, bis Mondlicht über dem Wasser lag.
    »Sie sind überall, vor dem ganzen gottverdammten Riff.«
    »Das sind vielleicht die Bullen… die auf die Kühe warten.«
    »Sie schauen eher wie riesige Gliederfüßler aus.«
    »Ist das wichtig?« hatte er bitter gefragt. »Wichtig ist nur, daß sie auch bei uns an Land kommen werden. Sie werden unsere Lichtung heimsuchen und zerstören, genau wie die andere. Zieh das Segel auf, Piet. Wir haben genug Licht. Wir müssen sie warnen.«
    Aber das Licht hatte doch nicht ganz gereicht. Einen ohnmächtigen und zerschundenen Mann, gebunden an einen Rest von Boot, hatte Piet nach Hause gebracht.
    Als er erwachte, wollte er wissen: »Wird der Damm schon gebaut?«
    »Der Damm?« Doktor Liu schmiß Verbandsfetzen in einen Abfalleimer. »Oh, du sprichst von deinen Seeungeheuern. Wir haben jetzt Erntezeit, weißt du.«
    »Ernte? Liu, hat Piet dir nichts gesagt? Kapiert ihr nicht? Hol sofort Gregor her! Und Hugh und Tomas! Piet auch! Hol sie, Liu!«
    Erst eine Weile nach ihrem Eintreffen wurde ihm allmählich bewußt, daß er nur noch ein Gespenst seiner selbst war. Er hatte sich gezwungen, mit äußerster Ruhe zu reden; denn nur zu leicht hätten sie annehmen können, seine Urteilsfähigkeit sei durch seinen Zustand getrübt.
    »Das ganze Gebiet war völlig verwüstet«, erklärte er. »Ungefähr ein Quadratkilometer. Ein enthaupteter Körper lag ganz in unserer Nähe, er lebte noch. Er war mindestens zwanzig Meter lang und drei oder vier Meter dick. Und das war bei weitem nicht der größte. Sie scheinen periodisch an Land zu gehen, immer wieder an denselben Stellen, um Eier zu legen. Das ist es, was unsere Lichtung hervorgebracht hat, kein Wirbelsturm.«
    »Aber warum sollten sie hierher kommen, Mysha?« protestierte Gregor. »Nach dreißig Jahren?«
    »Das hier ist einer von ihren Nistplätzen. Die Zeit spielt keine Rolle, sie haben offenbar einen langen Zyklus. Einige Tiere der Erde – Schildkröten, Aale, Heuschrecken – haben auch lange Zyklen. Sie sammeln sich dort draußen vor dem ganzen Riff. Eine Gruppe ging in der südlichen Lichtung an Land; eine andere wird bald hier auftauchen. Wir müssen Schutzanlagen bauen.«
    »Aber vielleicht haben sie ihre Gewohnheiten geändert. Vielleicht gehen sie seit Jahr und Tag nur noch in die Lichtung im Süden.«
    »Nein. Die Bäume, die sie da gerade umgehauen haben, waren mindestens zwanzig Jahre alt. Sie kommen, sage ich euch. Hierher.« Er hörte, wie seine Stimme lauter wurde, sah ihre Gesichter. »Ich sage euch, wir dürfen nicht warten, bis geerntet ist, Gregor! Wenn ihr gesehen hättet – Sag ihnen, wie’s war, Piet! Sag’s ihnen, sag ihnen…«
    Und als er das nächste Mal zu sich kam, war nur Doktor Liu da. Und bald darauf mußte er erkennen, daß er in der Tat ein toter Mann war.
    »Es steckt im Lymphsystem, Mysha. Ich hab’s in der Leistengegend entdeckt, als ich reinging, um das Leistenband abzusichern.« Liu seufzte. »Es hätte sich ziemlich bald gemeldet.«
    »Wie lang?«
    »Wenn wir zu Hause wären, könnten wir dir einen gewissen Aufschub verschaffen. Aber auch der wäre ziemlich unangenehm. Hier…« Er blickte sich in dem kleinen Operationsraum um, ließ die Hände fallen.
    »Wie lange höchstens? Sag es mir, Liu!«
    »Monate. Vielleicht. Es tut mir leid, Mysha.«
    Dann hatten sie ihn hinausgehen lassen. Als er sah, daß die anderen sich immer noch um die Ernte kümmerten, war er zu schwach, auf sie einzureden. Statt dessen bat er sie, ihn hier heraufzubringen, auf den Hügel des noion, in die Stille.
    »Du reifst?« hatte das noion ihn gefragt.
    Er zuckte die Achseln: »Wenn du es so nennen willst.«
    Am nächsten Tag hatte Piet die Tonbänder heraufgebracht, und die Zeit war mit Musik und Gedichten vergangen… bis der Tag kam, an dem zum ersten Mal das Zeugs an Land gespült wurde. Schmierige, mannsgroße Klumpen und Fetzen waren es, wie graue Ambra oder wie Erbrochenes oder wie

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