Warme Welten und Andere
seine jüngste Tochter, die ihm Nahrung brachten.
»Mysha, warum hier oben?«
Bethels traurige Vogelaugen bohrten sich in seine. Vermieden es, das noion anzusehen. Er nahm die Kürbisflasche, den blätterumwickelten Fisch.
»Was ich tue, kann man nicht überall tun«, knurrte er und berührte, sogleich bereuend, ihre zierlichen Handgelenke. Das prachtvolle Mädchen sah zu, stand auf einem Bein, um das andere zu kratzen. Wie hatte Bethels kleiner Körper solche übernatürlichen Kinder hervorbringen können?
Es war an der Zeit für ein Lebewohl.
»Piet wird bald kommen und dich weiter landeinwärts bringen«, sagte Bethel. »Sobald sie den Laser aufgebaut haben. Hier ist deine Medizin, du hast sie vergessen.«
»Nein. Ich bleibe hier. Ich will etwas probieren.«
Er sah, wie sie erstarrte, wie ihre Augen schließlich doch zu dem stillen, braunen Ding an seinem Ast wanderten, dann wieder zurück zu ihm.
»Weißt du nicht mehr? Als wir hier ankamen, damals, war dieser kleine Wald der einzige unversehrte Ort. Es hat sich gerettet, Bethel, es hat die Kraft dazu. Ich kann es dazu bringen, uns noch einmal zu helfen.«
Ihr Gesicht war hart.
»Beth, Beth, hör mir doch zu!« Er schüttelte ihren Arm. »Verstell dich jetzt nicht. Du weißt, daß du mir glaubst, deshalb hast du Angst.«
Das Mädchen entfernte sich.
»Wenn du mir nicht glaubst, warum wolltest du dann nicht, daß ich dich hier liebe?« flüsterte er heftig. »Melie!« rief er. »Komm her! Du mußt das hören!«
»Wir müssen zurück, die Zeit wird knapp.« Bethel versuchte, ihren Arm freizumachen. Er hielt ihn fest.
»Ihr habt noch Zeit. Sie pfeifen immer noch. Melie, dieses Ding hier – du weißt, daß ich es das noion nenne – lebt. Dieser Planet ist nicht seine Heimat. Ich weiß nicht, was es eigentlich ist – eine Spore aus dem Weltraum, vielleicht sogar ein bionischer Computer, wer will das wissen. Es war schon hier, als wir ankamen. Was du wissen, was du glauben mußt, ist, daß es uns gerettet hat. Zweimal. Das erste Mal war noch vor eurer Geburt, das Jahr, als die Brunnen austrockneten und wir beinahe umkamen.«
Das Mädchen Melie nickte, blickte würdigen Ernstes von ihm zum noion.
»Das war, als du die Schwarzwasserwurzel entdeckt hast«, lächelte sie.
»Ich habe sie nicht entdeckt, Melie. Egal, was sie dir sagen. Das noion war das. Ich bin hier heraufgekommen…«
Einen Augenblick lang blickte er zur Seite, sah wieder die stinkenden Sumpf flächen, wo jetzt die Lagune war, die trockenen Brunnen, den Dschungel, der unter dem Glutofen starb, der Woche für sengende Woche weißes Feuer über ihn ausgoß. Das war das Jahr, in dem sie beschlossen hatten, sie könnten es nun wagen, Kinder zu haben. Bethels erstes Kind war damals umgekommen, gleich allen anderen im Mutterleib verdorrt.
»Ich bin hier heraufgekommen, und es hat meine Not gespürt. Es hat mir ein Bild in meinen Geist übertragen, das Bild von den Schwarzwasserwurzeln.«
»Das war dein Unterbewußtsein, Mysha. Das war irgendeine Erinnerung!« sagte Bethel schroff. »Verdirb das Mädchen nicht!«
Müde schüttelte er den Kopf. »Nein. Nein. Lügen verderben sie, nicht die Wahrheit. Dann das zweite Mal, Melie. Du kennst die Sache mit dem Stilltod. Du weißt, warum wir keine Seife benutzen, nachdem der Weizen zu keimen begonnen hat. Als Piet ein Baby war…«
Der Stilltod… die Erinnerung erschütterte ihn. Die Babys hatte er zuerst heimgesucht. Hatte ihren Atem angehalten, ohne daß eine Spur von Leiden an ihnen zu erkennen war. Martines Baby war das erste, sie hatte mitangesehen, wie die Bläschen auf seinen Lippen sich plötzlich nicht mehr bewegten, während es sie anlächelte. Sie brachte es wieder und wieder und wieder zum Atmen, und dann in der Nacht starb Hughs Baby.
Danach hielten sie ständige Wache bei den Kindern, erschöpft wie sie waren, denn es war Erntezeit und ein Brand hatte den Weizen befallen, jedes gesunde Korn mußte gerettet werden. Und dann fielen die ersten Erwachsenen.
Alle mußten dann zusammenbleiben, in Paaren, einer mußte immer den anderen beobachten, und immer noch wurde es schlimmer. Die Opfer kämpften nicht; diejenigen, die gerettet wurden, konnten lediglich von einer vagen Euphorie berichten. Kein Virus war am Werk, die Kulturen im Labor zeigten nichts. Sie versuchten, ohne alle Nahrung auszukommen. Sie lebten nur von Wasser und Honig, und dann starben Diera und ihr Mann im Labor. Danach kauerten sie sich alle in einem Raum zusammen,
Weitere Kostenlose Bücher