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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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Ausnahme einiger Vorbauten, in denen sich die eine sterbende Kuh wälzte, war nichts verloren. Alles unversehrt! Die Feuer – und Piet auf dem Turm, sein Meisterschütze des Lichts – konnten sie die Bestien wirklich abwehren, waren sie dem Ansturm gewachsen?
    Er starrte hinaus. Der Horizont schien dünner. Ja! Er brach auf, er hatte schon Lücken. Auf den Sandbänken wimmelte es noch von Riesengestalten, aber das war nicht mehr so wichtig. Der Angriff hatte seinen Höhepunkt überschritten. Sollten die letzten ruhig kommen – Feuer würde ihnen begegnen, sie abwenden! Die Mauer wird halten, dachte er und spürte nicht, wie ihm das Wasser aus den Augen rann. Die jungen Götter haben gesiegt.
    Bei Einbruch der Nacht würde alles vorüber sein. Sie würden in Sicherheit sein.
    In Sicherheit. Sie brauchten ihn nicht.
    Dort im betäubten Herzen des unverminderten Getöses spürte Mysha die schwache Regung in seinem Geist, das silbrige Aufblitzen der Hoffnung. Sie brauchten ihn nicht. Er war frei! Frei, sich vom noion für immer hinausführen zu lassen in ein Leben zwischen den Sternen… Grimmig drängte er den Gedanken zurück.
    Später…
    … Plötzlich ließ ihn ein Krachen und Splittern, das, lauter als alles andere, von unterhalb des Hügels kam, auffahren. Ein Wolkenfetzen flog vorüber.
    Mit einem Aufschrei humpelte er vorwärts, um zu schauen.
    Aus den Trümmern des Daches loderten ihn zwei gigantische Augen an; ringsherum zerbrach das Gebälk. Das Ding lag da mit dem Gesicht nach oben: der Kopf des Männchens, das über die Mauer gekommen war. Dampf quoll heraus. Ein Junge lag auf dem Boden. Der Kopf, von krabbelnden Beinstümpfen gestoßen, reckte sich aus den Trümmern ins Freie. Pavel und ein anderer Junge liefen in den Dampf hinein. Der Dampf wurde dünner.
    Ein Mann – Doktor Liu war es – kam mit einem Krug herbeigerannt. Pavel nahm den Krug, folgte dem kolossalen Kopf, der blindlings auf das Generatorhaus zukreiselte. Pavel hüpfte vor den Beinen zur Seite, hechtete dann auf die türgroße Wunde zu, wo sich die Beinstummel trafen. Er schleuderte die Flüssigkeit hinein, sprang zurück. Ein Krampf folgte, der einen Haufen von Ziegeln in alle Richtungen verschleuderte. Als sich der Staub legte, war der Kopf, dessen Ganglien verbrannt waren, reglos geworden.
    Aber das zertrümmerte Dach hatte den Hauptboiler geborgen, der den Generator antrieb.
    Der Laser – der Laser hatte jetzt nur noch die Batterien.
    Entsetzt beschwor Mysha Vorstellungen des Hilfsboilers, den sie zur Ladung der Batterien benutzten, kalkulierte den Stromverbrauch. Zu wenig, zu langsam. Zu langsam!
    Langsam wandte er sich um, suchte das Meer ab. Die Herden waren über die Weite verstreut, brachen auseinander, während er schaute. Überall große Löcher.
    Aber von den äußeren Sandbänken kam eine feste Phalanx genau auf die Mauer zu. Mysha starrte gelähmt, schüttelte den Kopf, während Todesqualen auf ihn einstachen. Die wandernden Berge schaukelten und wogten unbeirrbar auf die Mauer zu. Er musterte die Pfählungen, die rauchenden Kadaver. Pavel ließ einige Jungen Stroh von den Dächern ziehen. Für Fackeln wohl.
    Wenn der Laser aufhörte, waren sie erledigt.
    Sie brauchten ihn, Mysha.
    Stirb, Hoffnung… Drohender Verlust quälte sein Herz, sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Ich muß sterben.
    Aber das war nicht genug.
    Er mußte es wollen, erkannte er. Jene Hoffnung, die Verräterin, mußte er töten, sie ganz und gar aus sich herausreißen und sein ganzes Wesen der Aufgabe hingeben, sonst würde es nicht funktionieren.
    Denn er wußte, was das noion bewegen, was es zum Handeln veranlassen konnte. Seine Not, sein übergroßes Verlangen. Nur wenn das Verlangen ihn vollkommen erfüllte, bis zur Unerträglichkeit, konnte das noion ihm geben. Er mußte dies und dies allein in jeder Zelle seines Körpers und seiner Seele wollen, so wie damals.
    Aber wie kann ich das, dachte Mysha verzweifelnd, hörte den Lärm nicht mehr, sah Flammen und Verheerung nicht mehr. Ein Mann kann seinen Körper dazu zwingen, um seiner Kinder willen durchs Feuer zu gehen, ein Mann kann sich sogar vom ewigen Leben abwenden, um die Seinen zu retten. Aber hier genügt die Tat nicht. Mit meiner ganzen Seele muß ich wollen. Seine Lippen bebten, er schluchzte. Zu viel – zu viel verlangt von einem Menschen, einer armen, gespaltenen Seele – , daß er seinen Tod aus ganzem Herzen wünschen soll. Zwischen seiner Rasse und seinem Leben wählen und ganz

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