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Warme Welten und Andere

Warme Welten und Andere

Titel: Warme Welten und Andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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meine Unschuld. Ja, du erinnerst dich, dein Körper sagt mir, daß du dich erinnerst, selbst jetzt. Weich, halt mich weich. Hör deinen Moggadiet!
    Du hast mir erzählt, wie es ist, du zu sein, du selbst, winziger Rotling Lilliluu. Von deiner Mutter hast du erzählt, deinenTräumen, deinen Baby-Freuden und Ängsten. Und ich hab’ dir von meinen erzählt und von allem, was ich in der Welt gelernt habe seit jenem Tag, als meine eigene Mutter…
    Höre mich, meine Herzliebste! Die Zeit läuft davon.
    – Am letzten Tag meiner Kindheit rief uns meine Mutter alle unter sich zusammen.
    »Söhne! S-sö-öhne!« Warum krächzte ihre Stimme so?
    Langsam, furchtsam kamen meine Brüder aus dem Sommer-Grün herbei. Aber ich, Klein-Moggadiet, ich klettere eifrig den ganzen Bogen unter ihrem Körper hinauf, ich suche ihren goldenen Mutter-Pelz. Und geradewegs in ihre warme Höhle komme ich, wo ihre Mutter-Augen funkeln, die Höhle, die uns unser Leben lang so gut geschützt hat, so wie ich dich schütze, meine Morgenblume.
    Ich sehne mich, sie anzufassen, sie wieder zu uns sprechen und singen zu hören. Ihr Mutter-Pelz beunruhigt mich, er ist grau und zerschlissen. Schüchtern drücke ich gegen eine ihrer riesigen Speisedrüsen. Sie fühlt sich trocken an, aber tief in ihrem Mutter-Auge blitzt ein Funke auf.
    »Mutter«, flüstere ich, »Ich bin’s, Moggadiet!«
    »Söööööhne!« Ihre Stimme dröhnt durch ihren Panzer. Meine großen Brüder kauern sich an ihre Beine, spähen hinaus ins Sonnenlicht. Sie schauen so komisch aus, wie sie sich häuten, halb gold, halb schwarz.
    »Ich hab’ Angst!« winselt mein Bruder Frim in der Nähe. Wie ich hat Frim noch seinen goldenen Baby-Pelz. Mutter spricht wieder, aber ihre Stimme dröhnt so, daß ich sie kaum verstehen kann.
    »WINNN-TER! WINTER, SAGE ICH! NACH DER WÄRME KOMMT DER KALTE WINTER. DER KALTE WINTER, BEVOR DIE WÄRME WIEDERKOMMT, WIEDER…«
    Frim winselt lauter, ich knuffe ihn. Was ist los, warum ist ihre liebevolle Stimme plötzlich so rauh und fremd? Sie hat uns immer so zärtlich gesummt, wir verkrochen uns in ihrem warmen Mutter-Pelz, saugten die wunderbaren Mutter-Säfte, wiegten uns zu ihrem gleichmäßigen Geh-Lied, ie-muli-muli, ie-muli-muli, während tief drunten die Erde vorbeirollte. Oh, ja, und wie wir den Atem anhielten und quiekten, wenn sie ihr mächtiges Jagdlied anstimmte! Tann! Tann! Dirr! Dirr! Dirr-Hataan! HA-TONN! Wie wir uns auf dem erregenden Höhepunkt an sie klammerten, wenn sie auf ihre Beute niederfuhr, und wir das Krachen, das Reißen hörten, das Gurgeln in ihrem Körper, das uns sagte, bald würden die Speisedrüsen reich gefüllt sein.
    Plötzlich sehe ich drunten ein schwarzes Huschen – ein großer Bruder läuft davon! Mutters donnernde Stimme bricht ab. Ihr großer Körper spannt sich, ihre Panzerplatten krachen. Mutter brüllt!
    Und drunten: Rennen, Kreischen! Ich vergrabe mich tief in ihrem Pelz, werde herumgeschleudert, als sie springt.
    »RAUS! HAUT AB!« bellt sie. Ihre furchtbaren Jagdarme krachen nieder, sie brüllt ohne Worte. Ich schaudere, ich bebe.
    Als ich es wage, hinauszugucken, sehe ich, die anderen sind alle geflohen. Alle außer einem!
    Ein schwarzer Körper liegt unter Mutters Klauen. Es ist mein Bruder Sesso – ja! Aber Mutter zerreißt ihn, frißt ihn! Entsetzt schaue ich zu – Sesso, den sie so stolz, so zärtlich umhegt hat! Ich schluchze, wühle meinen Kopf in ihren Pelz. Aber der herrliche Pelz löst sich unter meinen Händen, ihr goldener Mutter-Pelz stirbt! Verzweifelt klammere ich mich fest, versuche, das Splittern, das Schlucken und Gurgeln nicht zu hören. Die Welt bricht zusammen, alles ist furchtbar, furchtbar.
    Und doch, mein Feuerbeerchen, selbst da habe ich fast begriffen. Groß ist der Plan!
    Alsbald hört Mutter auf zu fressen und zieht los. Tief drunten ruckelt der steinige Boden vorbei. Ihr Schritt ist nicht weich und geschmeidig, sondern schüttelt mich, selbst ihr tiefes Summern ist fremd. Voran! Voran! Alleine dann! Immer allein. Voran! Das Dröhnen hört auf. Stille. Mutter ruht aus.
    »Mutter!« wispere ich. »Mutter, ich bin hier, dein Moggadiet!«
    Ihre Bauchplatten ziehen sich zusammen, ein Rülpsen hallt durch ihre Höhlungen.
    »Geh!« ächzt sie. »Geh! Zu spät. Keine Mutter mehr.«
    »Ich will nicht weg von dir. Warum muß ich gehen? Mutter!« heule ich, »sprich mit mir!« Ich jammere mein Baby-Summen, Diet! Diet! Tikki-takka! Diet! hoffend, Mutter werde antworten, tief, tief summend,

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