Warme Welten und Andere
Brum! Brumm! Brummalubrum! Jetzt sehe ich ein riesiges Mutter-Auge schwach aufleuchten, aber sie stößt nur einen kratzenden Laut aus.
»Zu spät. Nicht mehr… Der Winter, sag ich. Ich habe gesprochen… Vor dem Winter, geh! Geh!«
»Sag mir, wie’s draußen ist, Mutter«, flehe ich.
Ein Ächzen oder Husten schüttelt mich fast vom Platz. Aber als sie wieder spricht, klingt ihre Stimme sanfter.
»Reden!« murrt sie, »Reden, reden, reden. Du bist ein seltsamer Sohn. Reden, wie dein Vater.«
»Was ist das, Mutter? Was ist ein Vater?«
Wieder rülpst sie. »Immer reden. Die Winter wachsen, sagte er. Oh, ja. Sag ihnen, die Winter wachsen. Das hab’ ich getan. Spät. Winter, hab’ ich euch gesprochen. Kälte!« Ihre Stimme donnert auf. »Genug! Zu spät.« Ich höre ihren Panzer klappern und klirren.
»Mutter, sprich mit mir!«
»Geh! Ge-e-eh!«
Ihre Bauchplatten krachen um mich herum. Ich springe auf ein anderes Pelznest zu, aber es löst sich unter meinem Griff. Jammernd rette ich mich, indem ich mich an eines ihrer großen Geh-Glieder hänge. Es ist hart und steif wie Stein.
»GEH!« donnert sie.
Ihre Mutteraugen schrumpfen ein, tot! In Panik krabble ich am Bein runter, alles bebt und hallt um mich herum. In Mutter braut sich ein Wutgewitter zusammen!
Ich springe zu Boden, stürze mich in eine Felsspalte, ich wackle und vergrabe mich unter dem furchtbaren Gebell und Geklirr, das von oben auf mich herabregnet. In die Steine verkriech ich mich, während Mutters Jagdklauen hinter mir niederkrachen.
Oh, mein Rotling, mein kleiner Zärtling! Nie hast du eine solche Nacht erlebt. Diese grauenvollen Stunden, da ich mich vor dem Monster versteckt hielt, das meine liebevolle Mutter gewesen war!
Noch einmal hab’ ich sie gesehen, ja. Als der Abend kam, kletterte ich eine Felskante hinauf und spähte durch den Nebel. Noch war es warm, die Nebel waren warm. Ich wußte, wie Mütter aussahen. Wir hatten gelegentlich riesige, dunkle, gehörnte Gestalten gesehen, bevor unsere eigene Mutter uns heulend unter sich versammelte. Oh, ja, und dann donnerte Mutter ihren erd-er-schütternden Drohruf, und die fremde Mutter antwortete brüllend, und wir klammerten uns fest, fühlten die Mord-Wut in ihr aufsteigen und wurden herumgeworfen, während unsere Mutter angriff und zuschlug. Und einmal guckte ich, während unsere Mutter fraß, hinausund sah ein fremdes Baby, das in den Überbleibseln auf dem Boden drunten winselte.
Aber nun war es meine eigene liebe Mutter, die ich im Nebel davontrotten sah, diesen rostig-grauen Koloß, der so gehörnt und verbeult war, daß nur ihre Jagdaugen über dem Panzer hervorguckten, ständig herumschweifend auf der Suche nach irgend etwas, das sich regte. Krachend bahnte sie sich ihren Weg durch die Berge und dröhnte dabei ein neues, harsches Lied: Kälte! Kälte! Im Eis allein. Eis! Und kalt! Ende bald. Ich habe sie nie wiedergesehen.
Als die Sonne aufging, sah ich, daß der goldene Pelz von meinem glänzenden neuen Schwarz abfiel. Ganz von allein schoß mein Jagdarm heraus und schlug einen Hüpfer geradewegs in mein Maul.
Du verstehst, mein Beerchen, daß ich viel größer und stärker war als du, als Mutter uns fortschickte? Auch das ist der Plan. Denn du warst noch gar nicht geboren! Ich mußte alleine leben, während die Wärme zu Kälte und während der Winter wieder zu Wärme wurde, bevor du auf mich warten würdest. Ich mußte wachsen und lernen. Lernen, meine Lillilu! Das ist wichtig. Nur wir Schwarzen haben eine Zeit, in der wir lernen können – das hat der Alte gesagt.
Und was für ein kleines Lernen es zuerst war! Schlammwasser zu trinken ohne zu husten, die fliegenden Schimmerdinger, die stechen, zu fangen, die Gewitterwolken und die Wanderung der Sonne zu beobachten. Und die Nächte, und die weißen Dinger, die sich in den Bäumen tummeln. Und die Büsche, die immer kleiner, kleiner wurden – nur war das ich, Moggadiet, der größer wurde! Oh, ja! Und der Tag, an dem ich mir zum ersten Mal einen Fettkrabbler von seinem Ast holte!
Aber all dies Lernen war leicht – der Plan in meinem Körper hat mich geleitet. Er leitet mich auch jetzt, Lillilu, selbst jetzt würde er mir Friede und Freude spenden, wenn ich mich ihm ergäbe. Aber das werde ich nicht! Bis zum Ende werde ich an der Erinnerung festhalten, bis zum Ende werde ich reden!
Ich werde das große Lernen sagen. Wie ich sah – obwohl ich so sehr damit beschäftigt war, zu jagen und mehr, mehr, immer mehr zu
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