Warnschuss: Thriller (German Edition)
Polizeiboote kreuzten auf dem Fluss und allen Nebenläufen. Das Sheriffbüro von Chatham County und die State Trooper leisteten nach Kräften Hilfe. Das Tauchteam war seit Tagesanbruch im Schifffahrtskanal im Einsatz.
Die örtlichen Fernsehsender unterbrachen immer wieder ihr Programm, um die Story zu bringen und die Zuschauer
über den Stand der Suche aufzuklären. Die Nachrichten berichteten nichts außer der Feststellung, dass es nichts zu berichten gab.
»Entschuldige die deutlichen Worte, Dunk«, sagte Worley jetzt, »aber du siehst beschissen aus.«
»Und ich wollte dich gerade beglückwünschen, weil du heute so frisch und gut aussiehst.«
Worley sah ihn unbeirrt und besorgt an. »Hast du was gegessen?«
»Ich hab mir unterwegs was geholt«, log Duncan. »Was für Fortschritte?«
Worley trat an die Tür und rief in den Korridor: »Hey, Kong? Dunk ist da.«
Kong erschien mit einem Thermosbecher in der Hand und wischte sich im Gehen mit dem Handrücken den Puderzucker vom Mund. »Hey, Dunk. Du siehst übel aus.«
»Hat man mir schon gesagt.«
»Ja, also, ich habe gehört, dass es bei euch gestern spät geworden ist. Dass ihr meinen Mann gefunden habt. Nur damit das klar ist, ich hätte ihn lieber lebend gefunden.«
»Ich auch. Was für Fortschritte?«
Offenbar verriet Duncans Tonfall, dass er nicht in Plauderstimmung war. Kong sagte: »Seit Napoli vermisst gemeldet wurde, haben wir nach seinem Auto gesucht. Heute Morgen haben wir es gefunden.«
»Wo?«
»Auf dem Parkplatz einer Kirche.«
»Der letzte Ort, an dem wir nach Napoli gesucht hätten«, meinte Worley glucksend.
Duncan war schon auf dem Weg zur Tür. »Sehen wir ihn uns an.«
»DeeDee ist schon dran.«
»Ach.«
»Aber das ist nicht alles«, sagte Worley. »Ich hab mir ausgerechnet,
dass Napoli bestimmt nicht zum Beten dort war. Ich dachte mir, bestimmt hat er den Wagen dort stehen lassen, weil es ein praktischer Parkplatz ist – und wahrscheinlich, weil wir dort auf keinen Fall suchen würden.«
Gestern Abend waren sie zu dem Schluss gekommen, dass Meyer Napoli einen der Lairds erpresst hatte und dass er während der letzten Tage freiwillig abgetaucht war.
»Ich habe bei allen Taxidiensten in der Stadt nachgefragt, und weißt du was?«
Duncan war genauso wenig in der Stimmung für Worleys Ratespiele wie für freundliches Geplauder, aber er riet trotzdem. »Napoli hat sich von einem Taxi abholen lassen.«
»Um null Uhr sechzehn«, verkündete Worley genüsslich. »Um null Uhr sechsundzwanzig hat ihn der Fahrer wieder abgesetzt.«
»Kurze Fahrt«, bemerkte Kong.
»Ein paar Meilen.«
»Und wohin ist er gefahren?«, fragte Duncan.
Worley sah in seinem spiralgebundenen Notizbuch nach und las die Adresse ab.
Duncan kannte die Straße; erst vor wenigen Stunden war er darin auf und ab gegangen, um eine Spur von Elise oder ihrem Auto zu finden. »Finstere Gegend.« Er hoffte, dass seiner Stimme nichts anzuhören war.
»Na ja, es ging Napoli auch nicht wirklich um die Straße«, fuhr Worley fort. »Sondern um den Wagen, der dort parkte. Den Wagen, der absolut nicht dorthin passte und jedem auffallen musste. Der Taxifahrer hat ausgesagt, dass Napoli nicht an einer bestimmten Hausnummer rausgelassen werden wollte und ihm ein dickes Trinkgeld zugesteckt hat, damit der Fahrer vergisst, dass er ihn je gesehen hat.
Aber als der Mann heute früh Napolis Bild im Fernsehen sah, dachte er sich, was soll’s? Was wollte Napoli schon
machen, wenn er alles erzählte? Also hat er sofort losgelegt, als ich ihn anrief. Dass er ein Mordopfer nur wenige Stunden vor seinem Tod herumkutschiert hat, hat ihn unter seinen Kollegen zum Promi gemacht.«
Worley setzte sich rittlings auf den nächsten Stuhl und fragte Kong, ob er noch mehr Donuts hätte. Kong entschuldigte sich, er habe das letzte gerade gegessen.
Duncan fragte: »Hat der Taxifahrer den Wagen beschrieben, bei dem er Napoli abgesetzt hat?«
»Es war Elise Lairds Auto«, erwiderte Worley und sah Kong gleichzeitig streng an, weil der sämtliche Donuts verschlungen hatte. »An das Kennzeichen konnte er sich nicht erinnern, aber er hat es bis ins Detail beschrieben. Ich schätze, das löst das Rätsel, wo die beiden zusammengekommen sind. Huch. Dass bloß keiner dem ehrwürdigen Richter erzählt, dass ich diesen ›vulgären‹ Ausdruck verwendet habe.« Er erzählte Kong, wie Richter Laird aufgebraust war, als er angedeutet hatte, dass sich seine Alte mit Napoli verabredet haben
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