Warnschuss: Thriller (German Edition)
Empfangsraum. Der Kamin war in rosa Marmor gefasst. Über dem Kaminsims hing ein widerliches Ölgemälde, ein Stillleben mit frischem Gemüse und einem toten Hasen. Gegenüber einem langen Sofa mit einem halben Dutzend fransenbesetzter Kissen standen zwei dazu passende Sessel. Ein pastellfarbener Teppich bedeckte das Parkett, illuminiert wurde das ganze Ensemble von einem zweiten Kristalllüster.
Richter Laird saß mit dem Rücken zu ihnen in einem der Sessel.
Duncan zog die logische Konsequenz aus der Tatsache, dass der Richter noch am Leben war, und merkte, wie sein Magen ins Leere sackte.
Der Richter hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und den Kopf gesenkt. Er unterhielt sich gedämpft mit einem Polizisten namens Crofton, der unsicher auf der Kante eines Sofapolsters balancierte, als hätte er Angst, es schmutzig zu machen.
»Elise ging nach unten, das war nicht ungewöhnlich«, hörte Duncan den Richter mit rauer, gefühlsbeladener Stimme erzählen. Er sah zu dem Polizisten auf und ergänzte: »Chronische Schlaflosigkeit.«
Crofton sah ihn mitfühlend an. »Wann war das? Als sie nach unten ging?«
»Als sie das Bett verließ, wachte ich auf, wenigstens flüchtig. Aus alter Gewohnheit sah ich auf die Uhr auf dem Nachttisch. Es war kurz nach zwölf Uhr dreißig. Glaube ich.« Er rieb sich die Stirn. »Ich glaube, das stimmt. Jedenfalls
döste ich wieder ein. Die … die Schüsse weckten mich wieder auf.«
Er sagte damit, dass nicht er, sondern ein anderer geschossen und seine Frau getötet hatte. Wer war an diesem Abend noch im Haus gewesen, rätselte Duncan.
»Ich rannte nach unten«, fuhr er fort. »Lief von Zimmer zu Zimmer. Ich war … außer mir, halb wahnsinnig. Ich rief nach ihr. Immer und immer wieder. Als ich ins Arbeitszimmer kam …« Sein Kopf sank wieder nach vorn. »Da sah ich sie zusammengesunken hinter dem Schreibtisch.«
Duncan hatte das Gefühl, dass sich eine Faust um seine Kehle geschlossen hatte. Er merkte, dass er kaum noch Luft bekam.
DeeDee stupste ihn an. »Dothan ist hier.«
Dr. Dothan Brooks, der Pathologe in Chatham County, war fett und stand offen dazu. Er wusste besser als jeder andere, dass ungesundes Essen einen Menschen umbringen kann, aber er stopfte sich trotzig mit Fettbomben voll. Er war der Auffassung, schlimmere Todesarten gesehen zu haben als Komplikationen aufgrund von Übergewicht. In Anbetracht der grauenvollen Todesarten, die Duncan im Lauf seiner eigenen Karriere zu sehen bekommen hatte, konnte er ihm da nicht widersprechen.
Während der Pathologe auf sie zukam, zerrte er die Latexhandschuhe von seinen Fingern und wischte sich mit einem großen weißen Taschentuch die Stirn, die den Farbton eines gut abgehangenen Steaks angenommen hatte. »Detectives.« Er klang immer kurzatmig und war es wahrscheinlich auch.
»Sie waren schneller hier als wir«, sagte DeeDee.
»Ich wohne in der Nähe.« Er sah sich um und ergänzte leicht bitter: »Allerdings eindeutig am ärmeren Ende des Viertels. Was für eine Hütte, wie?«
»Was haben wir bis jetzt?«
»Eine Achtunddreißiger mitten durchs Herz. Frontaler Eintritt. Ausschusswunde am Rücken. Tod ist sofort eingetreten. Viel Blut, aber für einen tödlichen Schuss relativ sauber.«
Um seine Erschütterung zu überspielen, streifte Duncan die Latexhandschuhe über, die DeeDee ihm gerade reichte.
»Können wir einen Blick darauf werfen?«, fragte sie.
Brooks trat beiseite und winkte zum anderen Ende der Eingangshalle hin. »Im Arbeitszimmer.« Auf dem Weg dorthin sah er nach oben. »Für das Geld, das dieser Kronleuchter kostet, könnte ich eines meiner Kinder auf ein richtig gutes College schicken.«
»Wer war sonst noch darin?«, fragte DeeDee.
»Der Richter. Die Polizisten, die als Erste am Tatort waren. Die haben geschworen, sie hätten nichts berührt. Ich habe auf eure Jungs von der Spurensicherung gewartet und bin erst rein, als sie das Okay gegeben haben. Sie sind immer noch drin, sammeln Spuren und versuchen den Namen des Mannes rauszukriegen.«
»Des Mannes?« Duncan blieb wie angewurzelt stehen. »Der Schütze wurde schon gefasst?«
Dothan Brooks drehte sich um und sah sie beide perplex an. »Hat euch keiner erzählt, was hier los war?«
»Offenbar nicht«, erwiderte DeeDee.
»Der Tote im Arbeitszimmer war ein Einbrecher«, sagte er. »Mrs Laird hat ihn erschossen. Sie ist die Schützin.«
Eine Bewegung am oberen Treppenabsatz lenkte ihre Blicke nach oben. Elise Laird kam gefolgt von einer
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