Warnschuss: Thriller (German Edition)
uniformierten Polizistin die Treppe herab. Sally Beale war schwarz wie Ebenholz und hart wie Stahl. Ihr Zwillingsbruder spielte als Lineman in der Verteidigung der Green Bay Packers. Allein durch ihre Größe wirkte Sally einschüchternd. Und noch mehr durch ihre finstere Miene.
Doch Duncans Blick lag ausschließlich auf Elise Laird. Ihr Gesicht sah frisch geschrubbt aus. Die Blässe konnte nicht von dem grellen Licht des Kronleuchters rühren, denn selbst ihre Lippen schienen blutleer. Dennoch wirkte ihre Miene gefasst, und ihre Augen waren trocken.
Sie hatte einen Mann getötet, aber keine Träne darüber vergossen.
Ihr Haar wurde im Nacken von einem Gummiband gehalten. Der Pferdeschwanz wirkte schmerzhaft straff. Sie trug Mokassins aus rosa Wildleder, dazu weiche, ausgewaschene Blue Jeans und einen weißen Sweater, der verdächtig nach Kaschmir aussah. Der Sweater wirkte ein bisschen übertrieben, immerhin hatte es draußen über dreißig Grad. Duncan fragte sich, ob sie fröstelte, und wenn ja, warum.
Als sie Duncan bemerkte, blieb sie so unvermittelt stehen, dass Officer Beale um ein Haar von hinten auf sie geprallt wäre. Sie stockte nur kurz, doch immerhin so lang, dass es DeeDee auffiel, die daraufhin vortrat und sich vorstellte. »Mrs Laird, ich bin Detective DeeDee Bowen. Das ist mein Partner Detective Sergeant Duncan Hatcher. Ich glaube, Sie kennen sich bereits.«
»Schatz, fühlst du dich nach der Dusche besser?« Der Richter kam aus dem Salon und eilte seiner Frau entgegen, legte den Arm um ihre Schultern und strich mit dem Fingerrücken über ihre Wange. Erst dann nahm er die Übrigen wahr. Ohne jede Vorrede sagte er an Duncan gewandt: »Warum hat man Sie geschickt?«
»Sie haben einen Toten im Haus.«
»Aber Sie sind im Morddezernat. Das war kein Mord, Detective Hatcher. Meine Frau hat einen Eindringling erschossen, den sie gestellt hat, als er mein Arbeitszimmer ausrauben wollte, in dem ich kostbare Sammlerstücke aufbewahre. Als sie ihn zur Rede stellen wollte, feuerte er auf
sie. Sie hatte keine andere Wahl, als ihr eigenes Leben zu schützen.«
Normalerweise wurde darauf geachtet, die Zeugen eines Verbrechens voneinander zu trennen, bis jeder befragt worden war, damit niemand die Schilderungen der anderen beeinflussen konnte. Jeder Strafrichter musste das wissen.
Indigniert meinte Duncan: »Danke für die Zusammenfassung, Richter, aber wir würden gern von Mrs Laird persönlich hören, was passiert ist.«
»Sie hat diesen Polizisten bereits alles geschildert.« Er nickte zu Beale und Crofton hin.
»Ich habe zuerst mit ihr gesprochen«, bestätigte Crofton. »Es war ziemlich genau so, wie er sagt.«
»So hat sie es dargestellt«, bestätigte Beale und klatschte ihr Notizbuch zu. »Er auch.«
Der Richter wurde böse. »Wir haben es nicht so dargestellt . So und nicht anders hat es sich abgespielt. Ist es notwendig, dass Elise heute Nacht alles noch einmal durchgehen muss? Sie ist schon jetzt traumatisiert.«
»Wir haben bis jetzt weder das Opfer noch den Tatort gesehen«, sagte DeeDee.
»Wenn wir mit den Leuten von der Spurensicherung gesprochen haben, werden wir bestimmt noch einige Fragen an Mrs Laird haben.« Duncan sah sie an. Sie hatte noch keinen Laut von sich gegeben. Ihre Augen waren auf einen fernen Punkt im Raum gerichtet, so als hätte sie sich völlig aus dem Geschehen um sie herum gelöst.
Er wandte sich wieder an den Richter. »Wir werden versuchen, alles so schnell wie möglich zu erledigen. Auf keinen Fall möchten wir das Trauma, das Mrs Laird heute Abend davongetragen hat, vergrößern.« Er drehte sich um und sprach Sally Beale an. »Nehmen Sie Mrs Laird mit in die Küche. Vielleicht möchte sie etwas zu trinken. Crofton, Sie machen mit dem Richter weiter.«
Richter Laird wirkte nicht glücklich über Duncans Anweisungen, durch die er effektiv von seiner Frau ferngehalten wurde, aber er erklärte sich mit einem knappen Nicken einverstanden. Er strich seiner Gemahlin über den Arm und sagte: »Ich bin im Salon, wenn du mich brauchst.«
Sally Beale hatte die breite Hand fest, aber nicht unfreundlich auf Elises Schulter gelegt. »Ich könnte eine Cola brauchen. Wie ist es mit Ihnen?«
Ohne ein Wort gesprochen zu haben, ging Elise mit der Polizistin. DeeDee sah Duncan fragend an. Er zog die Schultern hoch und ging dem Pathologen nach. »Was sagen Sie, Dothan? Sieht das für Sie nach Notwehr aus?«
»Schauen Sie selbst.«
Duncan und DeeDee blieben an der Schwelle
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