WARP 1 - Der Quantenzauberer (German Edition)
bemerkt, dass zwar nach wie vor Geräusche von nebenan herüberdrangen, das Scherzen und Lachen jedoch verstummt war und die wummernden Töne nicht mehr nur vom Musiksender des Fernsehers kamen.
»›Sobald er sein eigenes Messer gezogen hat, ein ganz gewöhnliches Skalpell, bin ich von oben auf ihn draufgesprungen und habe ihm die Kehle bis zum Knochen aufgeschlitzt. Es war ein sauberer Schnitt, wie auf der Bühne. Er ist umgefallen wie alle anderen, keine besondere Macht, keine eindrucksvollen letzten Worte. Das Mädchen war zutiefst dankbar, fiel vor mir auf die Knie und nannte mich Euer Lordschaft. Ich weiß, mein Junge, ich hätte sie ebenfalls töten sollen. Aber die Straße war dunkel und mein Gesicht geschwärzt, also hab ich nur gesagt: ›Sag deinen Freunden, London ist vom Blutigen Jack befreit‹, und sie laufen lassen. Es war ein Moment der Schwäche, aber ich war der Welt wohlgesinnt. Und dann hör ich plötzlich ein leises Stöhnen vom Pflaster. Mein kleiner Jackie atmet noch. Aber nicht mehr lange, sag ich mir und mache mich an die Arbeit. Bevor er geht, gesteht Jack neunzehn Morde, mit einem Funkeln in den Augen. ›Nur neunzehn?‹, sag ich zu ihm. ›Allein im letzten Jahr hab ich doppelt so viele umgebracht.‹ Da hat sein Herz aufgegeben.‹«
Schaudernd rang Riley nach Luft. »Und da hab ich begriffen, dass Albert Garrick wirklich der Teufel ist.«
Plötzlich krachte es, und die Badezimmertür splitterte, weil ein Körper mit voller Wucht dagegengeworfen wurde. Der Lärm riss Riley aus seiner Versunkenheit. Dann folgte ein zweites Krachen, und diesmal gab die Tür nach und fiel mitsamt dem bewusstlosen Agenten Duff zu Boden.
Ein dunkler Schatten tauchte im Türrahmen auf und schien in den Raum zu gleiten.
»Orange?«, sagte Chevie, doch auf den zweiten Blick sah sie, dass er es nicht war, obwohl die Gestalt ihm ähnelte.
Riley schaute in die grausamen, toten Augen des Mannes. »Nein. Nein, das ist mein Herr. Verstehen Sie jetzt?«
Garrick warf sich für Chevie in Positur und verneigte sich tief.
»Albert Garrick, Bühnenzauberer und Auftragsmörder, zu Ihren Diensten, junge Dame. Ich bin durch den Kamin gekommen, um mich Ihnen vorzustellen.«
Als er sich verneigte, fiel ein Tropfen fremden Bluts von seiner Nase und landete auf Chevies Stirn, und ein eisiges Grauen erfüllte sie bis ins Mark.
»Ja, jetzt verstehe ich«, sagte sie.
Victoriana
London, um 1860
Albert Garrick war seit über zehn Jahren Lehrling des Großen Lombardi, und in der Zeit war der kleine Italiener für den Waisenjungen wie ein zweiter Vater geworden. Doch der junge Albert vergaß nie seinen ersten Vater, der für ihn getötet hatte, und es dauerte Jahre, bis die Albträume von jenen cholerageschwängerten Tagen im Old Nichol nachließen und er nicht jedes Mal erschrak, wenn er ein Stück trockene Haut an seinem Ellbogen entdeckte oder seine Augen ein wenig eingesunken aussahen.
Lombardi ließ ihn schwer arbeiten, aber er war nicht grausam, und er schlug ihn nur, wenn der Junge es verdient hatte. Sie reisten kreuz und quer durch England, traten in allen möglichen Theatern auf und bestiegen einmal sogar die Fähre nach Boulogne, um während des Sommers beim Pariser Théâtre-Italien aufzutreten, wo einige von Lombardis Kunststücken in eine Straßenszene einer Oper von Verdi eingeflochten wurden. Jeden Abend, wenn der Vorhang fiel, weinte Lombardi vor Ergriffenheit, und er sagte zu dem jungen Albert, die Arbeit mit Verdi sei die Krönung seiner Laufbahn.
» Mein ganzes Leben lang habe ich nach echter Magie gesucht«, sagte er einige Jahre später, als er, an Tuberkulose erkrankt, in ihrer Behausung in Newcastle upon Tyne im Sterben lag. »Und gefunden habe ich sie in der Musik von Verdi. Einem Italiener. Dio lo benedica.«
In jener Nacht starb Lombardi, und er nahm seinem Lehrling das Versprechen ab, an seiner Stelle im Journal aufzutreten. Der Abend war kein uneingeschränkter Erfolg, aber viele von den Tauben überlebten, was den jungen Albert dazu ermutigte, Lombardis Namen und auch seine Verpflichtungen zu übernehmen.
Garrick erbte nicht nur die Engagements seines Herrn, sondern auch dessen Assistentin. Sabine war das exotischste und schönste Wesen, das er je gesehen hatte, und er hatte sich schon am ersten Tag in sie verliebt, als er staunend zusah, wie sie vollkommen unversehrt aus Lombardis ägyptischer Sägekiste stieg.
Garden Hotel, Monmouth Street, London. Heute
Und jetzt verspürte Garrick
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